Griechenland und Flüchtlinge: Schengen-Ausschluss? Kommissionssprecherin dementiert
Die EU-Kommission kritisiert Griechenland in der Flüchtlingskrise wegen mangelhafter Kontrollen. Der Mittelmeerstaat habe seine Aufgaben ernsthaft vernachlässigt.
Die EU-Kommission bemängelt die Maßnahmen Griechenlands zum Schutz der EU-Außengrenze und ebnet einer Verlängerung der Kontrollen innerhalb des Schengen-Raums möglicherweise den Weg. Griechenland habe seine Aufgaben ernsthaft vernachlässigt, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch.
Sollte die Regierung in Athen die Mängel nicht binnen drei Monaten abstellen, könnten andere EU-Staaten nach Artikel 26 des Schengen-Kodex ihre Grenzen mit Griechenland schließen. Das geht offenbar auch aus einem internen Dokument der Kommission hervor, über das "Spiegel Online" berichtet. Zunächst war das so interpretiert worden, dass die Kommission damit dem Land mit dem faktischen Ausschluss aus dem Schengen-Raum droht. Eine Kommissionssprecherin wies diese Deutung jedoch gegenüber dem Tagesspiegel zurück. Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hatte diese Maßnahme vor einigen Tagen erstmals öffentlich thematisiert.
Die Brüsseler Behörde hatte die Maßnahmen Griechenlands vom 10. bis 13. November überprüft. Demnach sind illegal einreisende Migranten nicht wirksam identifiziert und registriert sowie Fingerabdrücke nicht systematisch erfasst worden. Die schwerwiegenden Mängel müssten von den griechischen Behörden angegangen und beseitigt werden, forderte die EU-Kommission.
Sollte Griechenland dem nicht nachkommen, können die EU-Staaten Grenzkontrollen - die es in Deutschland und Österreich bereits gibt - um weitere sechs Monate aufrecht erhalten. Dieser Zeitraum kann dreimal um je sechs Monate ausgedehnt werden.
Erstmals kommen mehr Frauen und Kinder als Männer an
Zum ersten Mal seit Beginn der Flüchtlingskrise sind einem Medienbericht zufolge im Januar mehr Frauen und Kinder als Männer in Griechenland angekommen. Wie die Funke Mediengruppe am Mittwoch unter Berufung auf einen Lagebericht der Bundespolizei berichtete, lag der Anteil der Frauen und Kinder unter den nach Griechenland in die EU eingereisten Migranten bei 55 Prozent. Im Juni seien es noch lediglich 27 Prozent gewesen.
Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, auf dessen Zahlen die Bundespolizei Bezug nehme, würden die bereits eingereisten Männer ihre Frauen und Kinder nachholen. Die Bundespolizei analysiere, vermutlich versuchten männliche Migranten ihre Familien wieder zusammenzuführen, bevor angekündigte Neuregelungen zum Familiennachzug greifen, "die höhere Voraussetzungen vorsehen".
Der Familiennachzug ist einer der Hauptstreitpunkte in dem in der Bundesregierung diskutierten Asylpaket II. Enge Familienangehörige dürfen zu bereits eingereisten Migranten nachreisen - im Rahmen dieses Verfahrens allerdings legal mit offiziellem Visum. Dafür gibt es jedoch derzeit lange Wartezeiten. Vor allem die CSU fordert wegen der hohen Flüchtlingszahlen Einschränkungen der Nachzugsmöglichkeiten, die SPD lehnt die Verschärfung ab.
Schweden fordert neues Verteilungssystem für Flüchtlinge
Schwedens Migrationsminister Morgan Johansson hat ein neues System zur Verteilung von Flüchtlingen in Europa gefordert. "Die Flüchtlinge sollten sich in Griechenland registrieren lassen und dort ihren Asylantrag stellen. Dann werden sie dorthin geschickt, wo es Kapazitäten gibt", sagte Johansson der "Zeit" laut einer Vorabmitteilung von Mittwoch. "Wenn ihr Antrag genehmigt wird, dürfen sie bleiben; wenn nicht, müssen sie zurück".
Dieses System sollte das bisherige Dublin-System ersetzen, bei dem derjenige EU-Staat zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst den EU-Boden betreten hat, sagte Johansson. EU-Mitglied zu sein heiße Rechte und Privilegien zu besitzen. "Wir können nicht zulassen, dass manche Länder sagen: Wir wollen nur die Vorteile", sagte der Minister. "Es gibt einen Namen für Personen, die so sind: Trittbrettfahrer. Europa kann nicht auf Trittbrettfahrer gründen", sagte Johansson. Neben Schweden und Österreich mache Deutschland derzeit am meisten, doch gebe es 25 weitere EU-Länder, "die jetzt auch Verantwortung übernehmen müssen". Besonders bei den osteuropäischen Staaten gibt es große Widerstände gegen eine europaweite Verteilung von Asylbewerbern. (Tsp, AFP)