„Verdacht der Vertuschung steht im Raum“: Missbrauchsbeauftragter kritisiert Kölner Kardinal Woelki scharf
Werden unliebsame Nachrichten zum Thema Missbrauch in Köln lieber unter Verschluss gehalten? In anderen Bistümern läuft die Aufarbeitung besser.
Mit zwölf Bistümern der katholischen Kirche ist Johannes-Wilhelm Rörig derzeit intensiv in Kontakt. Im Juni hatten Rörig, der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, und Bischof Stephan Ackermann vom Bistum Trier eine Gemeinsame Erklärung unterzeichnet. In der werden verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland festgelegt.
Ackermann ist der Beauftragte der Bischofskonferenz für Fragen des Missbrauchs. Rörig klärt, ob die Aufarbeitung wie beabsichtigt abläuft.
„Ich erkenne ein großes Engagement der Bistümer", sagte Rörig dem Tagesspiegel. Jedenfalls gilt das für elf Diözesen. Beim zwölften Bistum, dem von Köln unter Kardinal Rainer Maria Woelki, sieht die Lage derzeit anders aus. Da ist von positivem Engagement nicht viel zu erkennen.
Denn dort, sagt Rörig dem Tagesspiegel, werde der Eindruck erweckt, dass unliebsame Nachrichten lieber unter Verschluss gehalten werden. „Es deutet vieles darauf hin, dass Kardinal Woelki mit Blick auf Betroffenenbeteiligung, Transparenz und Unabhängigkeit von Aufarbeitung einen massiven Fehler begangen haben könnte“, sagte Rörig.
[Lesen Sie auch mit Tagesspiegel-Plus: Ein Interview mit dem Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig - „Man muss bei der Angst der Täter ansetzen“]
Er bezieht sich dabei auf die Berichterstattung zu einem unabhängigen Gutachten einer Münchner Kanzlei über Missbrauch im Kölner Erzbistum, in dem auch die Frage nach der Verantwortlichkeit gestellt wurde und Namen genannt wurden. Woelki hatte, wie berichtet, verhindert, dass das Gutachten veröffentlicht wird und dabei auf „methodische Mängel und Verletzung von Persönlichkeitsrechten“ verwiesen.
Seither wird der Kardinal massiv kritisiert. Zwei Mitglieder des Kölner Betroffenenbeirats sind sogar aus Protest zurückgetreten. Ein ähnliches Gutachten zum Bistum Aachen ist dagegen von dortigen Bischof Helmut Dieser veröffentlicht worden.
„Wenn man Transparenz verspricht und dann nicht einhält“
Rörig kritisiert Woelki, der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, deutlich. „Wenn man Transparenz verspricht und dann nicht einhält, steht der Verdacht erneuter Vertuschung im Raum. Das Ganze ist eine große Belastung und möglicherweise ein Rückschlag für die Aufarbeitung. Ich habe den Eindruck, dass bei Betroffenen das Vertrauen, das gerade gewachsen ist, wieder gebrochen wurde.“
Er habe von Woelki bisher den Eindruck gehabt, der habe einen starken Willen zur Aufarbeitung. „Ich hoffe, dass er diesen Willen jetzt noch unter Beweis stellt.“
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Bei der Aufarbeitung gehe es um Sichtbarmachung und Anerkennung des Leids und die Frage, weshalb sexueller Missbrauch in der Kirche möglich und nicht konsequent unterbunden wurde. Ebenso gehe es um die Frage, „weshalb Opfern nicht geglaubt wurde, sondern sie eher als Störer der Kirchenleitungen betrachtet wurden“. Umfassende und unabhängige Aufklärung, Transparenz und sensible Betroffenenbeteiligung „sind die entscheidenden Kriterien der Aufarbeitung“.
Lob für den Aachener Bischof für seine Ausklärungsarbeit
Rörig lobte ausdrücklich den Aachener Bischof Dieser. „Er zeigt durch seine Bereitschaft, das Gutachten zu seinem Bistum veröffentlichen zu lassen, dass für ihn Transparenz und Unabhängigkeit wichtige Güter sind.
In der Tat forderte Dieser nach der Veröffentlichung des Aachener Missbrauchs-Gutachtens von seinem Vorgänger Heinrich Mussinghoff und dem früheren Generalvikar Manfred von Holtum ein „Zeichen der Reue“. Es gehe darum, „die eigene persönliche Verantwortung in systemischen Grenzen anzuerkennen“, sagt der Bischof bei einer Pressekonferenz. Dieser und sein Generalvikar hatten erst wenige Tage zuvor vom Inhalt des Gutachtens erfahren. Woelki dagegen hatte das Gutachten, das Köln betrifft, sehr früh gelesen und ist dann eingeschritten.
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