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Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigt die Idee, den Chef der EU-Kommission direkt zu wählen.
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Europa-Debatte: Schäuble und Moscovici für Eurozonen-Parlament

Bei einer Diskussionsveranstaltung sprechen sich Finanzminister Wolfgang Schäuble und der künftige französische EU-Kommissar Pierre Moscovici in Berlin dafür aus, ein Eurozonen-Parlament einzurichten.

Es ist die Stimme von Karl Lamers, die den Zuhörer zurückträgt in eine Epoche, die schon eine Ewigkeit zurückzuliegen scheint. Aber eigentlich ist es nur 20 Jahre her, dass Lamers, damals außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Wolfgang Schäuble ein elfseitiges Papier mit dem unscheinbaren Titel „Überlegungen zur europäischen Politik“ veröffentlichte. Am 1. September 1994 war das. Die letzten russischen Soldaten in Berlin hatten gerade im Treptower Park ihren Abschied gefeiert, die Osteuropäer standen vor der EU-Tür.
Mitten hinein in diese Zeit platzte das Schäuble-Lamers-Papier, in dem von einem „Kerneuropa“ die Rede war. Sprich: Einige Staaten – Deutschland, Frankreich, die Benelux-Länder - sollten voranschreiten bei der europäischen Einigung, die anderen Länder sollten folgen, wenn sie können oder wollen. Das Papier löste damals in Europa ein mittleres politisches Erdbeben aus, insbesondere in den Ländern, die unter Schäubles und Lamers’ Kerneuropa-Staaten nicht aufgelistet waren.
An diesem Montag sitzen die beiden bei einer Diskussionsveranstaltung am Pariser Platz, die dem Jahrestag ihres „Kerneuropa“-Thesenpapiers gewidmet ist, wieder beisammen. Und es ist vor allem Lamers’ unverkennbarer rheinischer Tonfall, der die europapolitischen Aufregungen der damaligen Zeit noch einmal wachruft. Europa war noch ein ganz anderes: Die Gemeinschaft zählte gerade einmal zwölf Mitglieder, den Euro gab es noch nicht. Und doch sagt Lamers über sein Papier: „Man könnte den ersten Satz heute genauso schreiben wie vor 20 Jahren.“ Der lautet: „Der europäische Einigungsprozess ist an einen kritischen Punkt seiner Entwicklung gelangt.“
Das sieht auch Pierre Moscovici so. Der Sohn polnisch-rumänischer Eltern, der schon einmal französischer Finanzminister in Paris war und demnächst Kommissar in Brüssel sein wird, bedauert, dass damals die Chance für eine echte Debatte über eine Vertiefung der Gemeinschaft vertan wurde. Immerhin gebe es heute mit der Euro-Zone eine Art „Kerneuropa“, sagt er. Moscovici schlägt vor, den Staaten mit der Gemeinschaftswährung ein Eurozonen-Parlament als Kontrolleur zur Seite zu stellen - eine Idee, die auch Schäuble unterstützt. So wie Moscovici hält auch der deutsche Finanzminister die Debatte über die Weiterentwicklung der EU noch keineswegs für beendet. Und so verteidigt er noch einmal seinen Vorschlag, den EU-Kommissionspräsidenten irgendwann einmal direkt zu wählen: „Der Kern ist richtig.“

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