Neue EU-Außenbeauftragte: Mogherinis schwierige Mission
Der Einfluss der Italienerin Federica Mogherini auf dem Posten der EU-Außenbeauftragten dürfte überschaubar bleiben - weil die großen europäischen Mitgliedstaaten es so wollen. Ein Kommentar.
In ihrer Diplomarbeit hat sich Federica Mogherini mit dem Verhältnis von Religion und Politik im Islam auseinandergesetzt. In einer Zeit, in der der Islamismus den Nahen Osten zu überrollen droht und auch für Europa eine stetig wachsende Bedrohung darstellt, kann der designierten EU-Außenbeauftragten ein tieferes Verständnis der Gesellschaften in Nordafrika und im Vorderen Orient nur nützlich sein. Vielleicht schaut die Italienerin demnächst noch mal in ihre Diplomarbeit. Denn bald steht der Brüsseler Novizin ein Examen bevor, bei dem ihr nichts geschenkt wird.
Es ist eine undankbare Aufgabe, welche die 41-Jährige im Herbst übernehmen soll. Zunächst einmal muss sie demnächst bei einer Anhörung im Europaparlament die Abgeordneten überzeugen, dass sie wirklich das Zeug zur europäischen Chefdiplomatin hat. Und dann soll Federica Mogherini den kaum erfüllbaren Anspruch einlösen, der gemeinsamen EU-Außenpolitik mehr Gewicht in der Welt zu verleihen. Wie zermürbend diese Aufgabe ist, hat in den vergangenen fünf Jahren die Britin Catherine Ashton erfahren können: Einerseits musste sie in Brüssel die Herkulesaufgabe schultern, den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst aufzubauen. Gleichzeitig sollte sie weltweit als Aushängeschild einer gemeinsamen europäischen Diplomatie herhalten. Aber gerade eine einheitliche EU-Außenpolitik gibt es in vielen Fällen nicht. Das haben die jüngsten Diskussionen in Brüssel über die Waffenlieferungen für die Kurden und die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland gezeigt. In dem einen Fall wurde es den Mitgliedstaaten einfach überlassen, selbst über eine mögliche Unterstützung der Peschmerga-Einheiten im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu entscheiden. Im anderen Fall hat der jüngste EU-Gipfel erst wieder gezeigt, dass die Mitgliedstaaten sehr unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wie weit die Sanktionsspirale weitergedreht werden soll.
In der Ukraine-Krise nehmen die EU-Mitglieder selbst das Heft in die Hand
Gerade der Blick auf die Ukraine macht deutlich, dass sich große EU-Länder wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich ihre Gestaltungsmacht in der Diplomatie nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Als vor zwei Wochen in Berlin die Außenminister Deutschlands und Frankreichs mit ihren Amtskollegen aus Kiew und Moskau über eine mögliche Friedenslösung sprachen, war Catherine Ashton jedenfalls nicht dabei. Wer über die zahnlose EU-Diplomatie und die politische Unerfahrenheit von Federica Mogherini klagt, sollte immer mitbedenken, dass es in vielen EU-Hauptstädten nicht als Schaden angesehen wird, wenn die Brüsseler Außenpolitik noch immer in der Warteschleife steckt.
Kanzlerin Angela Merkel wird jedenfalls gewusst haben, warum sie sich im Tauziehen um Europas künftig Spitzenämter nicht gegen die Sozialistin Mogherini verkämpft hat – der Einfluss der Italienerin dürfte überschaubar bleiben. Im Zweifel wird wohl der neue EU-Ratschef Donald Tusk bei seiner schwierigen Aufgabe, den europäischen Laden zusammenzuhalten, mehr Gestaltungsmacht haben. Und auf ihn kann die Kanzlerin zählen.