Kriminalität im Internet: Schäuble: Millionen Arzneimittel sind gefälscht
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnt vor gefälschten Arzneimitteln im Internet. Besonders häufig beschlagnahmt der Zoll falsche Potenzmittel, Schlankmacher und Anabolika aus Asien.
Der Zoll hat im vergangenen Jahr weit mehr gefälschte und illegale Arzneimittel aus dem Verkehr gezogen als in den Vorjahren. 2015 seien 3,9 Millionen Tabletten beschlagnahmt worden, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Montag in Berlin. Das seien annähernd viermal so viele wie im Jahr zuvor. Der CDU-Politiker mahnte die Verbraucher, Medikamente nur aus „seriösen Quellen“ zu beziehen. Die vermeintliche Schnäppchenjägerei könne „böse Folgen für die Gesundheit“ haben.
Nach Erkenntnissen des Zolls nutzen deutsche Verbraucher entsprechende Internetangebote besonders intensiv und lassen dabei oft jede Vorsicht vermissen. Besonders häufig entdeckte der Zoll gefälschte Potenzmittel, Schlankmacher oder Anabolika. Die meisten stammen aus China, Indien oder Thailand. Allerdings wurden auch Fälschungen von Antibiotika, Krebsmitteln und anderen lebenswichtigen Medikamente sichergestellt.
Manche Pillen erhalten nur Straßendreck
Die Täter verfügten über eine umfangreiche Logistik und ausgefeilte Handelssysteme, sagte Kirstin Smolka vom Zollkriminalamt Köln. Mit solchen Produkten lasse sich mehr Geld verdienen als mit Betäubungsmitteln und Drogen.
Manche gefälschte Pillen enthielten „ausschließlich Straßendreck“ oder seien mit „Fußbodenwachs aus dem nächsten Supermarkt“ überzogen, sagte der Bonner Pharmazeut Harald Schweim, der sich auf Arzneifälschungen spezialisiert hat. Sie sähen oft ähnlich aus wie das Original, würden aber auf billigste Art produziert und seien mitunter auch lebensgefährlich.
Apotheker raten: Bei Verdacht Aufsichtsbehörde anrufen
Der Kampf gegen gefälschte Medikamente war im vergangenen Jahr ein Schwerpunkt des Zolls. Arzneimittelkriminalität sei für die Behörde ein besonders wichtiges Thema, sagte Schäuble. Immer stärker richteten sich die Ermittlungen dabei gegen „größere kriminelle Strukturen“. Während die Zahl der eingeleiteten Verfahren zurückgegangen sei, gebe es „sehr viel mehr Beschuldigte“.
Besonders vorsichtig sollten Verbraucher sein, wenn sie bei Internethändlern rezeptpflichtige Arznei ohne Rezept oder nach dem alleinigen Ausfüllen eines Online-Fragebogens bestellen können – denn das ist illegal. Deutschen Apotheken ist der Versandhandel mit Arzneimitteln seit 2004 erlaubt. Wer sichergehen wolle, ob eine Versandapotheke legal arbeitet, sollte bei der Aufsichtsbehörde anrufen, die im Impressum angegeben werden müsse, rät die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
Deutsche sind bei Internet-Bestellungen besonders risikofreudig
Bei der Risikofreudigkeit von Internetbestellungen liegen die Deutschen nach einer britischen Studie an vorderster Stelle. 38 Prozent seien bereit, risikobehaftete Produkte im Internet zu bestellen. Oft werde bei Arzneibestellungen nicht mal das Impressum des Anbieters gelesen, kritisierten die Zollexperten. Bei einer von Ermittlern eingerichteten Fake-Adresse einer Internetapotheke beispielsweise seien 1400 Bestellungen eingegangen – obwohl im Impressum der Hinweis gegeben wurde, dass der Anbieter nur darauf aus sei, die Kunden „zu belügen und zu betrügen“. (mit dpa/AFP)
Rainer Woratschka