TV-Debatte der US-Demokraten: Sanders und Clinton wollen beide der "Underdog" sein
Die Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders und Hillary Clinton streiten in New Hampshire um die Strategie – und lehnen beide die Favoritenrolle ab.
Da waren’s nur noch zwei. Bei den Demokraten hat sich die Auswahl der Präsidentschaftsbewerber auf zwei reduziert, nachdem Martin O’Malley wegen seines schlechten Abschneidens in Iowa das Rennen aufgegeben hat. Aber diese zwei wollen die Partei in unterschiedliche Richtungen führen. Die inhaltlichen Kontraste zwischen Bernie Sanders und Hillary Clinton bei der TV-Debatte in der Nacht zu Donnerstag waren stark. Auf persönliche Angriffe verzichteten beide jedoch, sie sprachen mit Respekt übereinander. Das änderte sich bei einer weiteren Debatte zwischen ihnen in der Nacht zu Freitag. Da gab es schärfere Wortwechsel.
Die Grundaussagen waren in beiden Aufeiandertreffen die selben. Eine "politische Revolution" sei nötig, sagt Sanders. Man könne die USA nur verändern, wenn wesentlich mehr Bürger sich aktiv an der Politik beteiligen. Und er sei der Kandidat, der diese Mobilisierung auslöse und insbesondere junge Wähler an die Urnen bringe.
Er sei ein "progressiver" Demokrat, Hillary Clinton eine "moderate Demokratin". Auf die Nachfrage von Moderator Anderson Cooper, ob er ihr das Etikett "progressiv" rundheraus abspreche, betonte Sanders, er werde sich nicht zu negativen Äußerungen verleiten lassen. Aber es gebe "einige Themen, wo ich Hillary nicht für progressiv halte". Sie nehme Millionen von Großbanken, sie habe für den Irakkrieg gestimmt und lange die Keystone-Pipeline von Kanada nach Texas unterstützt, obwohl die USA wegen des menschengemachten Klimawandels raus aus den fossilen Energieträgern müssten.
Hillary Clinton warb mit ihrer politischen Erfahrung für sich
Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie sei eine "Progressive" ging Clinton in die Gegenoffensive. Progressiv heiße für sie, den Fortschritt durchzusetzen und nicht nur fortschrittliche Ziele zu haben, für die es aber keine Mehrheiten gebe. Ihr Ziel sei, die unter Obama erreichten Reformen gegen die Republikaner, die sie rückgängig machen wollten, zu verteidigen und sie allmählich auszubauen. Sie habe viel mehr Erfahrung, wie man die Projekte durchsetze.
New Hampshire, wo am Dienstag die zweite Vorwahl stattfindet, hat andere politische Traditionen als Iowa. An der Auswahl des Spitzenkandidaten dürfen nicht nur erklärte Parteianhänger teilnehmen, sondern auch Parteiunabhängige; sie stellen mit etwa 40 Prozent die größte Wählergruppe in dem Neuenglandstaat. Und sie nehmen die Bewerber besonders kritisch unter die Lupe.
Das zeigte sich bei den Fragen aus dem Publikum. Sanders musste erklären, wie das zusammenpasse: Er wolle die Mittelklasse schützen, aber auch deren Steuern erhöhen. Ja, sagte Sanders: Trotz der höheren Steuern, mit denen er eine allgemeine Krankenversicherung und das kostenlose Studium finanzieren möchte, werde die Mittelklasse unter dem Strich entlastet. Schon durch die niedrigeren Prämien für die Krankenversicherung sparten Durchschnittsverdiener mehr, als sie an Steuern zusätzlich bezahlen.
Ein Mann namens Michael sagte, er misstraue Clinton wegen ihrer "interventionistischen" Außenpolitik: "Können Sie versprechen, keine neuen Truppen im Ausland einzusetzen?" Clinton: "Nein, Michael, das kann ich nicht. Das wäre unehrlich." Militär sei für sie nicht das erste, sondern das letzte Mittel der Politik, das unterscheide sie von den Republikanern. Sie verspreche, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Konflikte diplomatisch zu lösen. Aber da man nie wisse, was in einer Präsidentschaft alles passieren werde, dürfe sie Militäreinsätze nicht ausschließen.
Bernie Sanders: Wir müssen den IS vernichten. Aber smart, nicht hart
Sanders wurde von einer "Überlebenden des Terroranschlags auf den Boston-Marathon" gefragt, wie er den Terrorismus bekämpfen wolle. Ihre persönliche Antwort sei, dass sie weiter an den Marathons teilnehme. Sanders dankte ihr für ihren Mut. "Wir müssen den IS vernichten. Aber smart, nicht hart." Muslimische Soldaten sollten den Bodenkrieg führen und westliche Mächte diese nur unterstützen, nicht aber selbst am Boden kämpfen.
Clinton und Sanders äußerten größten Respekt vor den traditionell unberechenbaren Wählern in New Hampshire. Im Schnitt der Umfragen führt Sanders sechs Tage vor der Abstimmung mit 55 Prozent vor Clinton mit 38 Prozent. Dennoch sagt er, er sei der "Underdog" in diesem Wettbewerb. Denn er kämpfe "gegen den mächtigsten politischen Apparat, die Clintons". 2008 hatte Hillary die Vorwahl in New Hampshire nach ihrer Niederlage gegen Obama in Iowa überraschend gewonnen.
Hillary Clinton tut sich schwer bei jüngeren Wählern unter 45 Jahren
Doch auch sie will hier der "Underdog" sein. Sie müsse "bergan kämpfen", er liege vorn, sie zurück. Hillarys derzeit größte Herausforderung kam in der Frage einer Frau zur Sprache, die sagte, sie sei zwar für Clinton, aber ihre fünf Töchter wollten alle für Bernie stimmen. Die Detailanalyse von Iowa zeigt: Hillary tut sich schwer bei jüngeren Wählern unter 45. In der Altersgruppe unter 30 stimmten 70 Prozent für den 74-jährigen Sanders. In der Gruppe zwischen 30 und 44 Jahren lag er im Verhältnis 58 zu 37 Prozent vor ihr.