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Innenminister Matteo Salvini will Neuwahlen.
© Remo Casilli,REUTERS

Regierungskrise in Italien: Salvini will Neuwahlen – und die EU zittert

Der Innenminister hat Italien längst weit nach rechts geschoben. Und es ist niemand da, der ihn aufhält. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Der Anlass tut nichts zur Sache. Es war nur eine Frage der Zeit, wann Matteo Salvini die „Frankenstein“-Koalition platzen lassen würde, die er vor gut einem Jahr als Juniorpartner einging und die seither nur seinem Ziel diente, ganz nach oben zu kommen. Neuwahlen will er. Und eine eh verunsicherte EU zittert wieder, jetzt vor der Regierung, die dabei herauskäme, Rechts-Rechts, und die von Sparhaushalten nichts wissen wollen würde.

Es war eine unmögliche Ehe von Anfang an, die zwischen Salvinis Lega und den „Fünf Sternen“ – erzwungen von der Weigerung des postsozialdemokratischen Partito Democratico (PD), mit den Fünf Sternen zu koalieren. Blieb die Lega, die in den 1990ern als „Lega Nord“ gestartet war, als Sezessionsbewegung des angeblich tüchtigen Nordens von den Bauerntölpeln im Süden – so die Weltsicht der leghisti – und die unter Salvini im Galopp das Kunststück schaffte, nun ebenso pathetisch wie einst ihr Fake-Vaterland „Padanien“ das ganze Italien zu vergöttern. Den Rassismus, den die Lega im Blut hat, übertrug sie dabei nonchalant von den Landsleuten im Süden auf Migranten von noch weiter südlich.

Die größere Koalitionspartnerin, die Fünf-Sterne-Bewegung, ein politisches Chamäleon, verdankte ihren Erdrutschsieg im Frühjahr 2018 allerdings ihren eher linken Versprechen, nämlich: die wachsende Verarmung mit einem Grundeinkommen zu bremsen und die politische Korruption zu beenden. Erste Schritte gelangen wenigstens fürs erste Projekt, sonst war praktisch vom Tag der Regierungsbildung an nur noch Lautsprecher Salvini zu hören. Die Fünf Sterne, die eine Zeitlang Italiens Politik vor sich hertrieben, gingen am Wahltag im März 2018, dem Tag ihres Triumphs unter. Umfragen sehen die haushohe Wahlsiegerin von einst auf keinem Flecken der italienischen Landkarte mehr vorn.

Das ist aber auch alles, was aktuell als halbwegs sicher gelten kann in Italien. Salvini will sein Umfragehoch in Neuwahlen nutzen. Doch die Auflösung des Parlaments ist Sache des Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Dessen Vorgänger Giorgio Napolitano zwang früher einmal die damaligen Kontrahenten Berlusconi und den PD immer wieder zusammen. Aber „König Giorgio“ war ein ausgebuffter Machttechniker. Ob der honorige, aber wenig zupackende Mattarella – er hat gerade Salvinis skandalöses Anti-Seenotrettungsgesetz unterschrieben – das schafft oder schaffen sollte?

Schließlich reparierten die Hinterzimmermanöver seinerzeit Berlusconis bröselnde Macht, schufen „Reform“-Kabinette, die die EU feierte, die aber Italiens Unter- und Mittelklasse und öffentliche Investitionen in noch tiefere Keller schickten. Und sie verschafften schließlich einem wie Matteo Renzi einen unnötigen, kurzen und ruhmlosen Auftritt als Premier. Auch er wurde rings um Brüssel gefeiert, auch er beschleunigte – politisch-ideell wie, in Wählerstimmen, materiell – den Niedergang seines PD, der Alternativen mindestens hätte möglich machen können.

Wenn Italien jetzt vor Salvini pur steht, ist das auch das Verdienst etlicher Vorgänger. Salvini, das ist Faschismus reloaded, ohne Wenn und Aber, er hat das Land längst weit nach rechts geschoben, und er wird weitermachen. Niemand da, der ihn aufhält. Wenn nicht ein Deus ex machina auf die Bühne schwebt. Der sich bitte bereithalten möge für Deutschland nach dem Landtagswahlenherbst.

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