Debatte über libanesische Hisbollah: Salamitaktik statt Verbot
Innenminister Seehofer wird aufgefordert, Hisbollah zu verbieten. Doch die Hürde ist hoch.
Der Innensenator trug am Sonnabend demonstrativ eine Kippa und stellte sich zu den Demonstranten, die in Berlin gegen den „Al-Quds-Marsch“ der Israelhasser protestierten. Andreas Geisel (SPD) nutzte auch die Gelegenheit, etwas Druck auf den Bundesinnenminister auszuüben. Die libanesische Terrororganisation Hisbollah („Partei Gottes“) müsse in Deutschland komplett verboten werden, forderte der Senator. Damit auch das jährliche Ritual des Aufzugs der zumeist islamistischen Antisemiten beendet werden könnte.
Seit mehr als 20 Jahren schon laufen fanatisierte Muslime kurz vor dem Ende des Fastenmonats Ramadan durch Berlin und weitere Großstädte in anderen Ländern, um die „Befreiung“ Jerusalems, auf Arabisch „Al Quds“, von den verhassten Juden zu fordern. Die Hisbollah gilt in Berlin als treibende Kraft. Die schiitische Terrortruppe, in Deutschland etwa 950 Personen, agiert im Auftrag des Iran. Der erste Anführer des Mullah-Regimes, Ayatollah Khomeini, hatte 1979 den „Al-Quds-Tag“ ausgerufen. Jahr für Jahr beklagen Berliner Politiker, die jüdische Gemeinde und Israelis, dass die Antisemiten in Berlin ihren Hass auf die Straße tragen können.
Laut Verfassungsschutz verhalte sich Hisbollah in Deutschland gewaltfrei
Dass Berlins Innensenator nun den Bund bewegen könnte, dem Spuk ein Ende zu bereiten, ist allerdings fraglich. Im Umfeld der Bundesregierung ist zu hören, es sei schwierig, ein Verbot der Hisbollah „rechtssicher zu erreichen“. Die Gefahr einer Niederlage bei den Verwaltungsgerichten ist hoch – obwohl die Partei Gottes in Verfassungsschutzberichten zumindest als „regional gewaltausübend“ bezeichnet wird. Der Begriff kennzeichnet aber auch die Hürde für ein Verbot. Die Hisbollah bekämpft Israel vor allem „regional“, also meist im Nahen Osten, und agiert im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Diktator Assad. In Deutschland hingegen verhalte sich die Hisbollah „zurückhaltend und gewaltfrei“, steht im Bericht des Berliner Verfassungsschutzes für 2018. Abgesehen von der Al-Quds-Demonstration fallen die Anhänger der Partei Gottes kaum auf.
Da nutzt es auch wenig, dass das Bundesverwaltungsgericht der Hisbollah 2015 bescheinigt hat, sie richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Unabhängig davon, wo und wie die Hisbollah auftritt, ob sie terroristisch zuschlägt oder nur unauffällig Spenden sammelt. Für die Richter war klar, dass jede Aktionsform Teil der Strategie ist, Israel zu schaden und letztlich zu vernichten. Ähnlich sieht das Bundesverwaltungsgericht die Aktivitäten der palästinensischen Terrororganisation Hamas, die in Deutschland ebenfalls auf Anschläge verzichtet.
Doch bei Verboten anderer islamistischer Gruppierungen, wie des salafistischen Vereins „Die wahre Religion“ (DWR), konnte der jeweilige Bundesinnenminister auch auf schwere Straftaten in Deutschland verweisen. Der 2016 von Thomas de Maizière (CDU) aufgelöste DWR hatte 140 Muslime für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ geworben.
Könnte ein Verbot von Hisbollah und Hamas erreicht werden?
Bei Hisbollah und Hamas praktizieren die Minister hingegen eine Salamitaktik. 2008 erging gegen „Al-Manar-TV“, einen Hetzsender der Hisbollah, ein Betätigungsverbot. 2014 folgte das Verbot des Vereins „Waisenkinderprojekt Libanon“. Der Verfassungsschutz hatte recherchiert, dass die Gruppierung mit dem harmlos klingenden Namen Geld für Angehörige von Terroristen sammelte.
Im Fall der Hamas traf es 2002 den ihr nahestehenden Verein „Al Aqsa“ und 2005 den „Yatim Kinderhilfe e.V.“. In Sicherheitskreisen wird nun allerdings überlegt, ob doch ein Verbot auch von Hisbollah und Hamas versucht werden könnte. Und es gibt die Idee zu einem ersten Schritt.
Ein hochrangiger Sicherheitsexperte sagt, zumindest könnten Objekte von Anhängern durchsucht werden, um Material für ein Verbot zu erlangen. Wie bei den Vereinen „Ansaar International“ und „WWR-Help“. Im April erwirkte Seehofer eine Razzia gegen die Gruppierungen in neun Bundesländern. Die Vereine sollen der Hamas finanziell und mit Propaganda helfen. Reichen die Beweise, folgt das Verbot.