Ärger in der Linkspartei: Sahra Wagenknecht hilft Abtrünnigem Wolfgang Neskovic
Prominente Linken-Politiker wie Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst helfen dem fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Neskovic im Wahlkampf – zum Ärger der Parteispitze.
Wolfgang Neskovic postete bei Facebook eine nette kleine Bildergalerie. Sie zeigt ihn, den einzigen fraktionslosen Abgeordneten im Bundestag, auf einem Podium mit der stellvertretenden Linken-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht und CSU-Rebell Peter Gauweiler, dann den vollbesetzten Saal des Cottbuser Kinos „Weltspiegel“ am Montagabend – und schließlich noch einmal Neskovic, der bei dieser Gelegenheit Wagenknecht herzlich umarmt.
Es sind Dokumente eines ungewöhnlichen Wahlkampftermins, für den Neskovic allen Grund hat, dankbar zu sein. Denn im Streit um die von den Genossen nicht mehr gewünschte Kandidatur für den kommenden Bundestag, hatte der ehemalige Bundesrichter aus Lübeck im Dezember 2012 nicht nur die Linken-Fraktion verlassen – also gebrochen mit der Partei, auf deren Ticket er 2005 erstmals in den Bundestag eingezogen war. Sondern er hatte bald darauf angekündigt, sich in seinem Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße erneut um das Direktmandat zu bewerben, das er 2009 gewonnen hatte. Das Machtmonopol der Parteien müsse gebrochen werden, sagte der 65-Jährige zur Begründung. Neskovic ist damit nun auch Konkurrent der von der Linken nominierten Wahlkreis-Bewerberin Birgit Wöllert. Schon seit längerer Zeit zählt er zu den scharfen Kritikern der rot-roten Regierungspolitik in Brandenburg.
Wagenknecht hielt das nicht davon ab, sich von Neskovic fürs Podiumsgespräch verpflichten zu lassen. Und sie befindet sich mit ihrer umstrittenen Aktion in prominenter Gesellschaft: Am Montag kommender Woche will Sabine Leidig, hessische Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl und frühere Attac-Geschäftsführerin, mit Neskovic über den Klimawandel diskutieren. Zwei Tage später kommt dann der ehemalige Linken-Vorsitzende Klaus Ernst, wie Wagenknecht einer der acht Spitzenkandidaten der Partei bei der Bundestagswahl. Unter dem Linkspartei-Wahlslogan „100 Prozent sozial“ nimmt sich der Gewerkschafter der sich weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich an.
Brandenburger Linke schalteten Parteichefin Katja Kipping ein
Sowohl in der brandenburgischen Landes- als auch in der Bundespartei führen die Wahlkampf-Einsätze zu mächtigem Ärger. Caren Lay, die ebenfalls zum Team der acht Spitzenkandidaten gehört und die sich in Bautzen, direkt neben Neskovics Wahlkreis, um ein Direktmandat bewirbt, sagt, sie habe von Neskovic keine Anfrage für die Teilnahme an einer Veranstaltung bekommen. "Ich hätte aber auch nicht zugesagt. Selbstverständlich unterstütze ich unsere Direktkandidatin Birgit Wöllert." Diana Golze, Nummer eins auf der brandenburgischen Landesliste, sagte dem Tagesspiegel, es sei seltsam, „dass der einzige Wahlkampftermin von Sahra Wagenknecht in Brandenburg ausgerechnet bei Neskovic“ stattfinde. Allerdings habe die Vize-Chefin von Partei und Fraktion dem Wunsch entsprochen, in Cottbus dazu aufzurufen, die Linke mit Erst- und Zweitstimme zu wählen, für Golze „die Hauptsache". Sie erwarte einen derartigen Appell auch von Klaus Ernst. Für diesen Fall sei dessen Auftritt „sein gutes Recht“.
Damit will sich auch Parteichefin Katja Kipping zufriedengeben, die von den Brandenburger Genossen eingeschaltet worden war. Ein erzwungener Rückzieher von Wagenknecht und Ernst hätte aus ihrer Sicht noch größeren Schaden angerichtet. Doch vielleicht sage Ernst ja auch noch ab, sagte Kipping dem Tagesspiegel.
Die Berliner Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak will das sehr hoffen: „In der heißen Wahlkampfphase eine Veranstaltung bei jemandem zu machen, der in Konkurrenz zur eigenen Direktkandidatin steht, ist zumindest befremdlich.“ Ex-Parteichef Ernst hält den Ärger für künstlich aufgebauscht, er werde am kommenden Mittwoch nicht die Wahl von Neskovic empfehlen und verstehe sich auch nicht als Wahlhelfer für ihn, damit soll es für ihn gut sein. Die Brandenburger Landespartei, die wegen seines Einsatzes „natürlich intervenierte“, wie es aus Potsdam heißt, ließ Ernst per Mail wissen, dass er sich auf die intellektuelle Herausforderung freue, mit Neskovic über ein paar Fragen zu diskutieren.
Neskovic selbst tut so, als könne er die Aufregung nicht verstehen. „Warum sollen Linke nicht gemeinsam für eine linke Politik streiten?“, fragt er. Genau das sei am Montagabend vor 500 Zuhörern im Kinosaal „erfolgreich“ geschehen. „Viele linke Wählerinnen und Wähler – bis auf ein paar Funktionäre – waren sehr begeistert.“