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Mitarbeiter:innen im Impfzentrum in der Messe Dresden bereiten Spritzen für die Impfung gegen Corona vor.
© Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Abstände zwischen Erst- und Zweitimpfung: Sachsen setzt sich über Stiko und Spahn hinweg – und erklärt warum

Die Stiko will den Abstand zwischen den Impfungen nicht weiter verlängern. Eine Länder-Umfrage ergibt: Sachsen beachtet die Empfehlungen längst nicht mehr.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vor wenigen Tagen gefordert, den Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung nicht nur beim Impfstoff von Astrazeneca, sondern auch bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna auf zwölf Wochen zu strecken.

So könnten bis Juli 60 Millionen Erstimpfungen stattfinden und unzählige Infizierte und Todesfälle in der Corona-Pandemie vermieden werden, argumentierte Lauterbach. Derzeit liegen rund 4,6 Millionen Impfstoff-Dosen auf Lager – so viele wie noch nie.

„Der Ball liegt jetzt bei der Stiko“, sagte Lauterbach. Auf Anfrage des Tagesspiegels hat die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts (RKI) sich klar positioniert.

Die Stiko beziehe sich „explizit“ auf die von der Zulassung der Impfstoffe abgedeckten Zeiträume, so eine RKI-Sprecherin: „Unter Berücksichtigung der Zulassungen und der vorliegenden Wirksamkeitsdaten empfiehlt die Stiko für die mRNA-Impfstoffe einen Abstand zwischen den beiden Impfungen von sechs Wochen.“ Die mRNA-Impfstoffe sind die von Biontech und Moderna.

Die Empfehlung der Stiko war erst vor wenigen Wochen geändert worden. Zuvor wurden zwischen Erst- und Zweitimpfungen bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna drei Wochen empfohlen und beim Impfstoff von Astrazeneca sechs Wochen.

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Anfragen des Tagesspiegels in einzelnen Landesministerien haben ergeben, dass diese Empfehlung auch bis auf eine Ausnahme umgesetzt wird.

In Sachsen nämlich liegen auf Anraten der Sächsischen Impfkommission (Siko) drei Wochen zwischen Erst- und Zweitimpfungen beim Impfstoff von Biontech, vier Wochen beim Impfstoff von Moderna und zwölf Wochen beim Impfstoff von Astrazeneca. Und das schon seit Beginn der Impfungen.

Die Stiko bleibt auch nach der Forderung von Karl Lauterbach dabei: Der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung wird nicht weiter verlängert.
Die Stiko bleibt auch nach der Forderung von Karl Lauterbach dabei: Der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung wird nicht weiter verlängert.
© Matthias Bein/dpa

Das heißt: Zunächst wurde die Empfehlung der Stiko für den Astrazeneca-Impfstoff nicht beachtet, nun setzt sich Sachsen über die Empfehlung des Bundes für die mRNA-Impfstoffe hinweg.

In Sachsen werde die Zweitimpfung bei Biontech bewusst früher als theoretisch möglich verimpft, teilte das Sozialministerium Sachsen dem Tagesspiegel mit. Der Grund: „Die Zweitimpfung bedeutet maximalen Schutz vor schwerer Erkrankung, Tod und der Übertragung der Viren. Ausbrüche in Heimen nach der Erstimpfung geben uns recht.“

Die Sächsische Impfkommission verweise auf wissenschaftliche Daten aus anderen Ländern, die aus epidemiologischer Sicht klar dafür sprächen, schnell für eine komplette Immunisierung zu sorgen, so das Ministerium.

Das Land widersetzt sich so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der in einem Brief an die Gesundheitsminister der Länder gefordert hatte, die Zweitimpfungen zurückzustellen. Die aktuelle Impfquote in Sachsen betrage bei der Zweitimpfung 6,7 Prozent und liege damit auf dem Spitzenplatz im Vergleich zu den anderen Bundesländern, so das Sozialministerium Sachsen.

Als einziges angefragtes Bundesland teilt Sachsen auch mit, dass die Überlegungen von Lauterbach zumindest „Gegenstand der Beratungen der Sächsischen Impfkommission“ seien. Alle anderen verwiesen auf die Empfehlungen der Stiko.

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Das Sozialministerium in Baden-Württemberg teilte mit, dass es das Terminvergabesystem des Bundes, von der Kassenärztlichen Vereinigung, nutzt. Dort würden immer die neuen Abstände eingestellt und vom Land entsprechend umgesetzt.

Mit den Impfstoff-Reserven gehe das Land so um wie vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgeschrieben. Das bedeute: Es würden nicht mehr wie vorher 25 Prozent der Impfstoffe von Biontech, 50 Prozent der Impfstoffe von Moderna und nichts des Impfstoffs von Astrazeneca für Zweitimpfungen zurückgestellt. Neuerdings würde auf Rückstellungen verzichtet – mit einer kleinen Ausnahme.

Da die Lieferungen von Moderna mit großen Zeitabständen und in relativ kleinen Mengen mit Schwankungen kämen, seien die Impfzentren gebeten worden, von diesem Impfstoff eine Reserve von 25 Prozent jeder Lieferung als Sicherheit für ausstehende Zweitimpfungen zurückzuhalten, teilte das Ministerium mit.

Auch das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen hält sich an die Empfehlung der Stiko. Grundsätzlich würden keine Impfdosen grundlos zurückgehalten, heißt es seitens des Ministeriums.

Ende letzter Woche habe das Land NRW so gut wie keinen Impfstoff von Moderna und Astrazeneca mehr vorrätig gehabt. „Und auch bei Biontech bauen wir gerade die Rücklagen für die Zweitimpfungen massiv ab, nachdem sich die Lieferzusagen und auch die tatsächlichen Lieferungen als recht stabil erwiesen haben“, so das NRW-Gesundheitsministerium.

Das Gesundheitsministerium in Thüringen teilte mit, dass die aktuellen Empfehlungen der Stiko umgesetzt würden. Thüringen hat derzeit die bundesweit höchste Sieben-Tage-Inzidenz mit rund 220 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Die konkrete Frist zwischen Erst- und Zweitimpfung werde so gewählt, dass so schnell wie möglich so viel wie möglich Impfungen erfolgen können, heißt es aus dem Ministerium. Von den gelieferten Impfstoffen würde nur ein sehr kleiner Anteil in Thüringen für Zweitimpfungen zurückgestellt, um im Notfall auf Lieferausfälle oder -kürzungen reagieren zu können.

Zuvor hatte bereits Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek in der „Augsburger Allgemeinen“ gesagt, dass sein Bundesland die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission umsetze und mit dem größeren Impfabstand auch weitgehend auf Zurückstellung von Impfdosen für die Zweitimpfung verzichte. Während vom Astrazeneca-Impfstoff nichts mehr zurückgestellt werde, seien es beim Biontech-Impfstoff noch 10.000 Dosen pro Lieferung.

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