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Ein britischer Ermittler mit Gasmaske in der Nähe das Tatorts
© Reuters/Hannah McKay
Update

Giftanschlag auf Ex-Spion: Russland verlangt UN-Dringlichkeitssitzung zum Fall Skripal

Moskau will den Giftanschlag auf Ex-Doppelagent Skripal im höchsten UN-Gremium zum Thema machen. Eine erste Gruppe von US-Diplomaten hat Russland verlassen.

Eine erste Gruppe aus Russland ausgewiesener US-Diplomaten hat die US-Botschaft in Moskau verlassen. Dutzende Botschaftsangehörige brachen am frühen Donnerstagmorgen mitsamt ihren Familien in Bussen Richtung Flughafen auf, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Im Streit um die Verantwortung für den Giftanschlag auf einen Ex-Spion in Großbritannien hatte die russische Regierung insgesamt 60 US-Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt. Mit der Ausreiseverfügung reagierte Moskau auf die Ausweisung einer gleich großen Anzahl russischer Diplomaten aus den USA. Diese waren am Osterwochenende in ihr Heimatland zurückgekehrt.

Insgesamt haben die USA, Großbritannien und andere westliche Staaten mehr als 150 russische Diplomaten ihrer Länder verwiesen. Damit reagierten sie auf den Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal am 4. März im südenglischen Salisbury. Die britische Regierung macht Russland für die Vergiftung Skripals und seiner Tochter Julia verantwortlich. Russland weist die Vorwürfe zurück. Der Vorfall hat zu einer der schwersten diplomatischen Krisen zwischen Russland und dem Westen seit Ende des Kalten Krieges geführt.

Russland hat eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Fall des Giftanschlags gefordert. Dem Antrag von Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja zufolge soll die Sitzung bereits am Donnerstag in New York stattfinden. Sofern es zu dem Treffen kommt, ist eine direkte Konfrontation Nebensjas mit Großbritanniens UN-Botschafterin Karen Pierce wahrscheinlich.

OPCW-Sondersitzung endete mit heftigen Vorwürfen

Schon am Mittwoch waren die unversöhnlichen Positionen der beiden Länder bei der ersten direkten Konfrontation seit dem Vorfall deutlich geworden. Die Sondersitzung des Exekutivrats der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag endete mit heftigen gegenseitigen Vorwürfen. London beharrte darauf, dass Moskau hinter der Attacke stecke. Die britische Regierung bezeichnete den russischen Vorschlag, gemeinsam zu ermitteln, als „pervers“.

Russland wies dagegen die Vorhaltungen Großbritanniens erneut als haltlos zurück. Das Land habe längst alle Bestände seiner C-Waffen vernichtet. Zuvor hatte Russland die Vorwürfe Großbritanniens bereits als inszeniert bezeichnet. Es handele sich um eine „groteske Provokation, grob fabriziert von den britischen und amerikanischen Geheimdiensten“, sagte der Chef des russischen Auslandsgeheimdienst SWR, Sergej Naryschkin, in Moskau. Die EU-Staaten wiesen die Vorhaltungen Russlands dagegen als total inakzeptabel zurück.

Ein Vorschlag Moskaus zu einer unabhängigen Untersuchung mit Beteiligung Russlands wurde bei der OPCW-Sitzung mehrheitlich abgelehnt, wie der russische Vertreter bei der Organisation, Alexander Schulgin, mitteilte. Russland hatte das Ansinnen gemeinsam mit China und dem Iran vorgebracht.

Bundesregierung: "Eskalationsspirale darf nicht weitergehen"

Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, hat vor einer weiteren Eskalation im Ost-West-Streit über die Schuld am Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal gewarnt. "Ich bin auch der Meinung, dass jetzt unbedingt verhindert werden muss, dass diese Eskalationsspirale weitergeht", sagte Erler am Donnerstag der ARD. "Ich finde, man muss (...) das Risiko dieser Eskalationsspirale erkennen und sagen, jetzt brauchen wir eine Pause."

Das sei auch sachlich geboten, denn in der nächsten Woche stünden Ergebnisse der Laboruntersuchungen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) an, die vielleicht weiterführen könnten. Zumindest bis dann sollte man warten, ehe man weitere Maßnahmen ergreife. Man müsse erst einmal weiter sprechen.

Die OPCW hatte nach dem Anschlag auf Skripal und dessen Tochter im südenglischen Salisbury auf britischen Wunsch hin unabhängige Ermittlungen aufgenommen. Wenn die Ergebnisse der Laboruntersuchungen vorlägen, werde sie den Bericht an Großbritannien übergeben, teilte die Organisation bei der von Russland beantragten Sondersitzung mit. OPCW-Experten hatten Proben im britischen Salisbury entnommen sowie auch Blutproben der Opfer bekommen. Diese werden in internationalen Labors analysiert.

Der frühere russische Doppelagent Skripal war am 4. März gemeinsam mit seiner Tochter Julia im südenglischen Salisbury vergiftet worden. Der 66-Jährige befindet sich in einem kritischen Zustand, seiner 33 Jahre alten Tochter geht es besser. Nach Erkenntnissen britischer Forscher wurde bei dem Attentat das Nervengift Nowitschok verwendet, das einst in der Sowjetunion entwickelt wurde. (AFP,dpa)

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