Krieg in Syrien: Russland startet neue Großoffensive
Wochenlang war es vergleichsweise ruhig in Syrien. Doch nun greift Russland wieder massiv an. Und immer mehr Menschen hungern, weil die landwirtschaftliche Produktion eingebrochen ist.
Krieg gehört in Syrien seit mehr als fünf Jahren zum verheerenden Alltag. Und wenn mal ein paar Tage lang etwas weniger gebombt, gelitten und gestorben wird, dann sinkt die Aufmerksamkeit für diesen Konflikt. Auch wenn durch ihn schon Hunderttausende ums Leben gekommen und Millionen heimatlos geworden sind. Doch nun eskaliert die Gewalt. Wieder einmal.
Das russische Militär hat nach eigenen Angaben jetzt mit einer „groß angelegten Operation“ begonnen. Von massiven Schlägen „gegen Terroristen“ in den Provinzen Idlib und Homs ist die Rede. Aus dem heftig umkämpften Aleppo werden ebenfalls Luftangriffe auf die von islamistischen wie nicht islamistischen Rebellen kontrollierten Viertel gemeldet.
Russland hatte in den vergangenen Wochen seine Attacken weitgehend eingestellt, um Zivilisten und Rebellen die Möglichkeit zu geben, den belagerten Ostteil der Stadt zu verlassen. Die schätzungsweise 300.000 Eingeschlossenen haben jedoch das Angebot kaum angenommen – obwohl sie dort unter katastrophalen Bedingungen leben. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass der Kreml als enger Verbündeter des syrischen Regimes mit der neuen Offensive endgültig Fakten auf dem Schlachtfeld schaffen will.
Die nicht enden wollende Gewalt hat für viele Menschen zur Folge, dass sie hungern. „Die Ernährungssituation von Millionen Syrern verschlechtert sich immer weiter“, sagt Muhannad Hadi, Regionaldirektor des UN-Welternährungsprogramms (WFP) für den Nahen Osten. „Mehr als sieben Millionen Menschen im Land leiden Hunger, sie haben ihre letzten Ersparnisse aufgebraucht.“
In den kommenden Wochen und Monaten könnte sich die Lage sogar noch verschärfen. Laut einer neuen Analyse der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und des WFP hat die Nahrungsmittelproduktion in Syrien ein Rekordtief erreicht. Denn die landwirtschaftliche Produktion ist offenbar dramatisch zurückgegangen. Wurden vor dem Krieg durchschnittlich 3,4 Millionen Tonnen Weizen geerntet, sind es in diesem Jahr nur 1,5 Millionen Tonnen.
Kaum Dünger und Treibstoff
Dafür gibt es mehrere Gründe. So sind hochwertiges Saatgut, Dünger, Maschinen und Treibstoff kaum zu bekommen oder unerschwinglich, wichtige Bewässerungsanlagen zerstört. Ganz abgesehen davon, dass es zu wenig geregnet hat. Auch die Viehzucht wird von Tag zu Tag schwieriger. Weideland und Wasserstellen sind kaum nutzbar, Bauern können sich Tierfutter nicht leisten. Das Resultat: Heute gibt es in Syrien 30 Prozent weniger Rinder und 60 Prozent weniger Geflügel, eigentlich die bezahlbarste Proteinquelle im Land. Viele Familien haben mittlerweile ihre Existenzgrundlage verloren. Dies könnte laut WFP und FAO dazu führen, dass noch mehr Menschen ihr Zuhause aufgeben müssen.
Christian Böhme