US-Regierung und Baerbock drohen: Russland setzt Truppenaufmarsch offenbar weiter fort
Die Stärke der russischen Truppen soll binnen 24 Stunden zugenommen haben, berichtet das Pentagon. Bundesaußenministerin Baerbock fordert Dialogbereitschaft.
Die Stärke der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze hat nach Angaben der US-Regierung „in den vergangenen 24 Stunden“ weiter zugenommen. „Was die russischen Aufrüstungen betrifft, so sehen wir - auch in den vergangenen 24 Stunden - eine weitere Ansammlung von (...) Kampftruppen, die von den Russen im westlichen Teil ihres Landes und in Belarus aufgestellt wurden“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstag.
Kirby wollte nicht sagen, wie viele bewaffnete Kräfte zuletzt hinzugekommen seien. Die Aufrüstung sei nicht „dramatisch“ gewesen, aber auch nicht „erstarrt.“
Kirby kündigte weitere Militärhilfe für die Ukraine an. Die nächsten Lieferungen sollen demnach bald vor Ort eintreffen. „Wir werden nicht alle Gegenstände, die in diesen Lieferungen enthalten sind, im Einzelnen aufführen“, so Kirby weiter. Mit Blick auf den Aufmarsch an der Grenze der Ukraine wolle man vorsichtig mit diesen Informationen umgehen. „Wir stehen in ständigem Austausch mit der Ukraine über ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten.“
Zuvor hatte die US-Regierung ihre Forderung nach einem Aus für die Erdgaspipeline Nord Stream 2 im Falle eines russischen Einmarschs in die Ukraine bekräftigt. „Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren (...), wird Nord Stream 2 nicht weitergeführt“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, am Donnerstag im Gespräch mit dem Sender CNN.
In diesem Fall werde man mit Deutschland zusammenarbeiten, um einen Stopp der Pipeline sicherzustellen. „Sie haben Erklärungen unserer deutschen Verbündeten gehört (...), in denen sie auf die starken Maßnahmen hingewiesen haben, die die deutsche Regierung bereit und willens ist, zu ergreifen“, versicherte Price.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) drohte Russland für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine mit einer harten Antwort. "Bei einer neuen Aggression steht uns eine breite Bandbreite an Antworten zur Verfügung, inklusive Nord Stream 2", sagte Baerbock am Donnerstag in der Debatte zum Ukraine-Konflikt im Bundestag mit Blick auf die russisch-deutsche Gas-Pipeline.
"Ja wir wollen jederzeit Dialog", betonte Baerbock. "Wer redet, schießt nicht", hob sie hervor. Es gehe aber auch um "Härte, die unmissverständlich deutlich macht: Die Grundpfeiler der europäischen Friedensordnung sind nicht verhandelbar", sagte die Ministerin. Deutschland und seine Verbündeten hätten "klipp und klar deutlich gemacht, dass ein erneutes militärisches Vorgehen gegen die Ukraine massive Konsequenzen für Russland hätte".
Scharf kritisierte Baerbock erneut das russische Vorgehen. "Es ist schwer, es nicht als Drohung zu verstehen, wenn hunderttausende Soldaten mit Panzern und Geschützen ohne nachvollziehbare Gründe nahe der ukrainischen Grenze zusammengezogen werden", sagte sie im Bundestag. Sie wandte sich auch gegen russische Forderungen "nach sogenannten Sicherheitsgarantien, die mit der europäischen Sicherheitsordnung nicht vereinbar sind".
Baerbock wies Vorwürfe zurück, Deutschland würde die Ukraine nicht hinreichend unterstützen. Sie verwies auf wirtschaftliche Unterstützung und Zusammenarbeit, aber auch auf Hilfen im militärischen Bereich. Die angekündigte und teilweise belächelte Lieferung von 5000 Schutzhelmen sei "auf ukrainischen Wusch erfolgt", zudem beteilige sich Deutschland aktuell an der Instandsetzung eines Schutzbunkers bei Odessa und an der Ausbildung ukrainischer Streitkräfte.
[Lesen Sie auch: Ein Ex-Schauspieler will Putin stoppen: Die bisher schwerste Rolle des Wolodymyr Selenskyj (T+)]
Die Außenministerin bekräftigte allerdings das Nein zu Waffenlieferungen. Zwar sei es richtig, auch in diesem Punkt "in schwierigen Situationen sein Handeln immer auch selbstkritisch zu reflektieren", man dürfe jedoch auch gerade jetzt "Türen nicht für Deeskalation verschließen, die sich gerade in diesem Moment so zaghaft wieder öffnen", verwies sie auf Gespräche wie am Mittwoch im sogenannten Normandie-Format zwischen Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich.
Entscheidend seien die Geschlossenheit des Westens und das Handeln im Team, sagte Baerbock und zog einen Vergleich zum Sport: "In einem Team braucht es nicht elf Mittelstürmer*innen". Es gebe beim Umgang mit diesem Konflikt auch unterschiedliche Rollen, Polen und Litauen seien in einer anderen Lage als etwa Deutschland, aber auch Großbritannien oder Frankreich. Derzeit hätten Fortschritte im Verhandlungsprozess "für diese Bundesregierung Priorität".
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass ein Ausschluss Russlands vom Zahlungsverkehrssystem Swift sowie ein Ende der Gaspipeline Nord Stream 2 für den Fall einer russischen Invasion der Ukraine möglich seien. „Nichts ist vom Tisch“, sagte sie am Donnerstagabend auf Fragen zu entsprechenden Sanktionen in einem CNN-Interview. Zudem betonte sie, dass man versuche, eine Lösung am Verhandlungstisch zu finden, sich jedoch auch auf das Schlimmste vorbereite. (dpa, AFP)