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Festnahme in Moskau bei einer nicht erlaubten Demonstration gegen den Ukraine-Krieg.
© IMAGO/ITAR-TASS

Strafe wie bei einem Doppelmord: Russland eröffnet erste Verfahren wegen Aussagen zum Ukraine-Krieg

In Russland laufen die ersten Strafverfahren wegen angeblicher Verbreitung von Fake-News zum Ukraine-Krieg. Betroffen sind auch ganz normale Bürger.

Das Verfahren gegen Veronika Belotserkowskaja ist eröffnet. Die bekannte Bloggerin und Autorin von Kochbüchern hat mehr als 900.000 Follower auf Instagram - und dort hat sie nach Ansicht der russischen Justiz nun „falsche Informationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation zur Zerstörung von Städten und der Zivilbevölkerung der Ukraine“ veröffentlicht.

Damit habe sie „die staatlichen Behörden und die Streitkräfte diskreditiert“, erklärte das zuständige Ermittlungskomitee. Belotserkowskaja lebt im Ausland, in Russland wird nun entschieden, ob sie auf die internationale Fahndungsliste gesetzt wird.

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Am 24. Februar, dem Tag des Kriegsbeginns, schrieb die Bloggerin: „Gott, stopp diesen Horror“ - und veröffentlichte dann Beiträge zu dem Thema.

Belotserkowskaja teilte auf Instagram mit, dass sie aus den Nachrichten von dem Verfahren gegen sie erfahren habe. Die Ermittlungen sind auf Grundlage eines neuen Gesetzes möglich, der Strafrahmen sieht bis zu 15 Jahre Haft vor. Sie habe nicht vor, nach Russland zurückzukehren, betonte die Bloggerin.

Weitere Strafverfahren wurden gegen zwei Bewohner des westsibirischen Verwaltungsbezirks Tomsk eingeleitet.

Nicht nur Medien, auch jeden Bürger sanktioniert das Gesetz

Der Grund: Sie verbreiteten in sozialen Netzwerken angeblich „bewusst falsche Informationen über die Verluste des russischen Militärs sowie über Aktionen in der Ukraine in der Zeit einer speziellen militärischen Operation“. Eine der Verdächtigen ist eine Rentnerin, die Beiträge auf dem Telegram-Kanal „Pravda Goroda Sewersk“ („Die Wahrheit der Stadt Sewersk“) mit 170 Abonnenten geschrieben hat, wie das Portal „Baza“ berichtete.

Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte am 24. Februar angeordnet, dass das, was in der Ukraine passiert, nicht als Angriff, Invasion oder Krieg bezeichnet werden darf. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Verbreitung angeblicher Fake News über die Aktivitäten der russischen Armee trat am 5. März in Kraft.

Aufgrund dieses Gesetzes beschlossen mehrere russische Medien, ihre Arbeit einzustellen. Andere weigerten sich, über den Krieg in der Ukraine zu berichten, und einige ausländische Medien schlossen ihre Büros in Russland.

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Es werden aber nicht nur Journalisten bedroht, sondern alle Menschen, die sich öffentlich zu den russischen Streitkräften äußern. Dies gelte auch dann, wenn die Aussagen auf der Straße, in einer Straßenbahn oder in einem Chat mit nur drei Personen gemacht werden, sagt Stanislaw Seleznew, Anwalt für ein Meinungsfreiheits-Projekt der russischen Menschenrechtsorganisation Agora.

Er erwartet einen starken Anstieg der Zahl solcher Fälle in allen Regionen des Landes. „Dass wir bisher nur etwa drei kennen, liegt daran, dass zur Einleitung von Fällen eine linguistische Expertise von Texten notwendig ist, das braucht Zeit“, so Seleznew. „Höchstwahrscheinlich werden jetzt Kontrollen und Untersuchungen durchgeführt, und vielen Menschen drohen Durchsuchungen und Strafverfahren.“

Galina Arapowa, eine führende Anwältin des russischen „Zentrums zur Verteidigung der Rechte der Medien“ mit Sitz in Woronesch, prognostiziert zwar auch eine Zunahme solcher Fälle. Sie glaubt aber nicht, dass diese sehr stark sein wird: Wenige Fälle der öffentlichen Anprangerung reichten aus, um bei anderen Angst zu erzeugen.

„Menschen, die einen Krieg einen Krieg nennen, riskieren wirklich ihr Leben“, sagt die Anwältin. Sie nennt den Artikel zur Bestrafung von angeblichen Fakes ein „ernsthaftes Element der Einschüchterung“: Die Höchststrafe dafür sei vergleichbar mit der Strafe für einen Doppelmord.

Hinzu komme, dass man in Russland nicht mit fairen Ermittlungen rechnen könne und es kein unabhängiges Gericht gebe, gibt Arapowa zu bedenken. (epd)

Irina Chevtaeva

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