Nicht überwachtes Gespräch im Gefängnis: Russische Diplomaten besuchten wohl mutmaßlichen Tiergarten-Mörder
Einem Medienbericht zufolge waren zwei Vertreter der russischen Botschaft im Juni bei Wadim Krasikow im Gefängnis. Die Erklärung dafür wirft Fragen auf.
Der russische Hauptverdächtige im Tiergartenmord-Prozess soll im Gefängnis Besuch von Vertretern der russischen Botschaft erhalten haben. Die beiden Männer, die einem „Spiegel“-Bericht zufolge mit Diplomatenpässen ausgestattet worden waren, unterhielten sich demnach im Juni rund 70 Minuten lang mit Wadim Krasikow.
Das Gespräch sei nicht überwacht gewesen. Die Botschaft habe den Besuch bei einem „Wadim Sokolow“ auf Anfrage des „Spiegel“ bestätigt. Sokolow – so lässt sich der wegen des Tiergartenmordes Angeklagte vor Gericht nennen.
„Ich heiße Wadim Andrejewitsch Sokolow. Ich heiße nicht Wadim Nikolajewitsch Krasikow“, ließ er beim Prozess durch seinen Verteidiger erklären. Nichts davon stimmt nach Auffassung der Bundesanwaltschaft. Sie geht davon aus, dass er Wadim Krasikow heißt und dass dieser sich von russischen Behörden einen Pass auf den Namen Sokolow ausstellen ließ.
Die Vertreter Russlands betonen dem „Spiegel“ zufolge, das Treffen der Botschaftsvertreter mit Diplomatenpässen und Krasikow sei „auf Wunsch“ des Mannes erfolgt – wie auch schon 2019. Laut der Botschaft gibt es regelmäßig Besuche russischer Konsularbeamter bei russischen Staatsbürgern, die inhaftiert sind.
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Aus den Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Justiz geht das allerdings so nicht hervor. Wie der „Spiegel“ berichtet gab es zwischen 2016 und 2019 keine weiteren Besuche von russischen Offiziellen, die registriert worden sind.
Einer der beiden Diplomanten, die Krasikow besuchten, soll außerdem wegen einer Straftat in einer Datenbank des russischen Innenministerium gelistet sein. Das berichtet das Londoner „Dossier Center“ – das ist eine Organisation, die vom im britischen Exil lebenden Michail Chodorkowski finanziert wird. Laut Botschaft in Moskau sei das nicht möglich: Personen mit Vorstrafen seien nicht berechtigt, im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden.
Krasikow soll Georgier im August 2019 erschossen haben
Wadim Krasikow wird vorgeworfen, den Asyl suchenden aus Tschetschenien stammenden Georgier Zelimkhan Khangoshvili im August 2019 im Kleinen Tiergarten im Berliner Stadtteil Moabit erschossen zu haben. Beim Prozessauftakt schwieg der Angeklagte bisher zu dem Vorwurf.
Der Anklage zufolge sollen „staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“ den Auftrag zum Mord Khangoshvilis erteilt haben. Bei seiner Einreise nach Deutschland habe er einen gefälschten Reisepass auf den Namen Wadim Sokolow mitgeführt, um damit ein Visum für den Schengenraum zu beantragen.
Im August 2019, kurz vor dem Mord in Berlin, reiste er von Moskau über Paris und Warschau nach Berlin. Er konnte nach dem Mord verhaftet werden, weil Zeugen ihn auf seiner Flucht beobachtet hatten. Über ihn selbst ist wenig bekannt: Er sei 1970 in der russischen Stadt Irkutsk geboren, russischer Staatsbürger, nicht verheiratet. Von Beruf sei er Bauingenieur, und er wohne in der russischen Stadt Brjansk. „Mehr habe ich zu meiner Person nicht zu sagen“, sagte Krasikow vor Gericht. (Tsp)