Ukraine-Krise: Rückhalt für Poroschenko schwindet
Nicht einmal die Hälfte der Ukrainer hält das Vorgehen der Regierung gegen die Separatisten im Osten für erfolgversprechend.
Der Westen und Vertreter aus der Ost-Ukraine drängen den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, die Verhandlungen zur Umsetzung seines Friedensplanes wieder aufzunehmen. Der Oligarch Rinat Achmetow sagte in einem Fernsehinterview: „Man darf Donezk nicht bombardieren, man darf den Donbass nicht bombardieren. Verhandlungen sind dringend notwendig.“ Er warnte davor, dass noch mehr Menschen ihr Leben verlieren und weitere Sachschäden entstehen könnten. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief die Konfliktparteien dazu auf, den Dialog wieder aufzunehmen. Der Rückhalt für Präsident Poroschenko schwindet unterdessen offenbar: In einer Umfrage des Wochenmagazins „Korrespondent“ sprachen sich 46 Prozent der Befragten gegen die Fortführung des Krieges aus, rund 35 Prozent befürworten die Linie der Regierung, 19 Prozent glauben, dass die Separatisten ihre Position durch die derzeitige Politik der Regierung stärken können.
Am Montagabend wollte Präsident Poroschenko das weitere Vorgehen in der Ost-Ukraine beraten. Ein sogenannter Aktionsplan soll vor allem die Strafverfolgungsbehörden dazu verpflichten, gemeinsam mit der Armee die Anti-Terror- Aktion der Regierung durchzusetzen. Auch die angespannte Lage der Bevölkerung sollte zur Sprache kommen. Verteidigungsminister Valerie Geletey hatte am Wochenende die Unruheregion besucht und danach „eine dringend notwendige Versorgung der Menschen und einen zügigen Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur“ gefordert.
Armee geht in sieben Städten vor
Laut einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums läuft die Anti-Terror- Aktion derzeit in sieben Städten, neben den Metropolen Donezk und Lugansk sind Antranzit, Snischne und Gorliwka sowie Krasnodon und Sjewjerodonezk betroffen. Vor allem aus Lugansk (438 000 Einwohner) werden Auseinandersetzungen gemeldet. In der Nacht zu Montag wurde der Flughafen in Brand gesetzt, am Montag ein Straflager gestürmt. Nach Angaben des Innenministeriums sind in der Strafkolonie Nummer 60 viele Häftlinge untergebracht, die wegen Mordes, Drogenhandels, Raub und Organisierter Kriminalität verurteilt wurden. In der Region wurde außerdem eine Eisenbahnbrücke über der Auto-Fernstraße Slowjansk–Donezk–Mariupol gesprengt. Mit diesem Anschlag ist nicht nur der Bahnverkehr eingeschränkt, sondern auch die Nord-Süd-Achse für Autos unterbrochen.
Beweise vernichtet?
Neue Spekulationen gibt es auch um die Ermittlungen gegen die Schützen, die im Februar auf Maidan-Aktivisten geschossen hatten. Die „Ukrainiska Prawda“ schreibt, das Innenministerium habe gezielt alle Beweise gegen die Schützen vernichtet. Der Kommandant der Spezialeinheit Berkut, Sergej Kusjuko, und 62 seiner Mitarbeiter sollen sich wenige Tage nach der Schießerei vom 20. Februar in die Russische Föderation abgesetzt haben, ohne von Behörden an der Ausreise gehindert worden zu sein.
In der Nacht zu Montag kam es auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, auf dem nach wie vor Gruppen von Aktivisten in Zelten campieren, erneut zu einer Schießerei. Mehrere Maskierte griffen die Aktivisten an, vier Personen wurden verletzt, zwei von ihnen schwer. Ein Video zeigt Schüsse aus einer automatischen Waffe, Schreie und umherlaufende Menschen. Bürgermeister Vitali Klitschko, der seit seinem Amtsantritt versucht, die Zeltstadt zu räumen, sagte: „Das Stadtzentrum von Kiew ist unsicher.“ Der Vorfall zeige, dass die Zelte in der Innenstadt immer wieder Provokateure anzögen. Er wolle die Gespräche mit den Aktivisten fortsetzen und hoffe, sie würden die Angebote der Stadt, die Zelte an einem anderen Standort aufzubauen, akzeptieren.