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Ein Verkehrsschild weist die Autofahrer der Stadtautobahn auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.
© Jens Büttner/zb/dpa
Exklusiv

„Scheuer steckte Kopf in den Sand“: Risiko für Ende der Pkw-Maut lag bei bis zu 15 Prozent

Die Wahrscheinlichkeit für einen Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut steigt: Das Verkehrsministerium sah früh rechtliche Risiken.

Die Bundesregierung hat das Risiko eines rechtlichen Endes für die Pkw-Maut intern auf bis zu 15 Prozent eingeschätzt – hielt die Einführung noch vor einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aber trotzdem für „geboten“. Das geht aus einem Schreiben des Bundesverkehrsministeriums an den Grünen-Abgeordneten Sven-Christian Kindler hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die interne Einschätzung, dass es zu einem rechtlichen Stopp kommt, liegt demnach bei einer mittleren von fünf Klassifizierungen.

Damit erhöht sich der Druck auf Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU): Grüne, FDP und Linke haben sich bereits auf einen Beschlussentwurf zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geeinigt. Dieser soll unter anderem klären, welche Risiken und welchen finanziellen sowie politischen Verpflichtungen die Bundesregierung im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der Pkw-Maut eingegangen ist. Scheuer hatte die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen, bevor endgültige Rechtssicherheit bestand.

Die Grünen werfen dem Verkehrsminister daher Fahrlässigkeit vor. Scheuer habe sich allein auf die Gutachten des von ihm selbst beauftragten Juristen Christian Hillgruber verlassen. Tatsächlich heißt es in dem neuen Schreiben des Ministeriums: „Vereinzelte gegenteilige Auffassungen in Literatur, die in vergleichbaren Vorhaben regelmäßig vertreten werden, und in verschiedenen Phasen der Verfahrensvorbereitungen und -durchführung geäußert wurden, haben an der einheitlich gegenteiligen Einschätzung der beteiligten deutschen und europäischen Organe nichts geändert.“

Doch eine Analyse aller im Vorfeld der Pkw-Maut erstellten Gutachten, Stellungnahmen, Ausarbeitungen und Abschätzungen zeigt, dass das Verhältnis aus Pro- und Contra-Einschätzungen ziemlich ausgeglichen war. Die Vielzahl der sich zum Teil widersprechenden Gutachten und die verschiedenen Einschätzungen der Experten verdeutlichen, dass die Europarechtskonformität der Pkw-Maut zumindest umstritten war. In der der Liste der Gutachten findet sich zudem kein Gutachten von 2018 darüber, ob das Ministerium trotz der unsicheren Rechtslage zur Pkw-Maut die Verträge abschließen sollte oder nicht. Das hatte Scheuer behauptet.

Der Haushaltspolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion kritisierte, dass sich der Bundesverkehrsminister in die eigene Tasche lüge. „Ein Blick in die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages hätte genügt um zu erkennen, dass das Risiko eines negativen EUGH-Urteils erheblich ist“, sagte er dem Tagesspiegel. Scheuer habe „bewusst den Kopf in den Sand gesteckt“, um das politische Projekt der Pkw-Maut „gegen jeden gesunden Menschenverstand“ durchzusetzen. „Er entschied sich gegen die Fakten und für das Zocken.“

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Juni 2019 die Maut-Pläne mit der Begründung gekippt, die Abgabe verstoße gegen EU-Recht, weil ausländische Autofahrer diskriminiert würden. Daraufhin kündigte Scheuer die bereits 2018 geschlossenen Verträge mit den Unternehmen, die die Maut erheben und kontrollieren sollten.

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