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Abschied oder Ankunft? Um US-Außenminister Rex Tillerson ranken sich weiterhin Rücktrittsgerüchte.
© Reuters

US-Außenministerium: Rex Tillerson gilt als Minister auf Abruf

US-Außenminister Rex Tillerson dementiert öffentlich alle Rücktrittsgerüchte - und erreicht damit das Gegenteil. Zumal er den US-Präsidenten einen "Schwachkopf" genannt haben soll.

Wenn der Außenminister eines Landes seinen Präsidenten einen „Schwachkopf“ nennt und der Präsident seinem Außenminister bescheinigt, er verschwende seine Zeit, dann ist es kein Wunder, dass in der Öffentlichkeit das Gerücht die Runde macht, die Zeit dieses Ministers sei wohl abgelaufen. Bei US-Außenminister Rex Tillerson war dieses Gerücht zuletzt so weit verbreitet, dass er in Washington angesichts des erwarteten Rückzugs vom Amt bereits den Spitznamen „Rexit“ erhielt. Tillerson trommelte schließlich die Presse zusammen, um ein Dementi zu verlesen, das für Ruhe sorgen sollte. Doch er hat das Gegenteil erreicht. Der frühere Chef des Ölkonzerns Exxon gilt als Minister auf Abruf.

Tillerson ist in Trumps Regierung ein wichtiger Vertreter der Realo-Fraktion, die den Präsidenten von spontanen Bauch-Entscheidungen abbringen und die Außenpolitik der Supermacht einigermaßen verlässlich halten will. Für europäische Politiker, die sich um Trumps Sprunghaftigkeit sorgen, ist Tillerson zusammen mit Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster ein wichtiger Ansprechpartner.

Doch die stoische Fassade des 65-jährigen Texaners mit dem starken Südstaaten-Akzent verdeckt zahlreiche ungelöste Konflikte. In seinem Ministerium ist der Quereinsteiger aus der Ölbranche unbeliebt, weil er sich mit einigen Beratern abschottet und das Personal stark abbauen will.

Das ist aber noch das kleinste Problem. Wieder und wieder muss Tillerson erleben, dass er von Trump öffentlich abgewatscht und gedemütigt wird. Als Tillerson kürzlich während eines Besuchs in China von diskreten Kontakten der USA zum nordkoreanischen Regime berichtete, tat der Präsident das per Twitter als Zeitverschwendung ab – Tillerson war vor der Öffentlichkeit und seinen chinesischen Gastgebern blamiert.

Im Frühsommer bemühte sich Tillerson um eine Verständigung zwischen Saudi-Arabien und Katar, bis ihm Trump mit einer öffentlichen Parteinahme für die Saudis in die Parade fuhr. Der Präsident verkündete den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimavertrag, obwohl Tillerson einen Verbleib des Landes in der Vereinbarung forderte.

Im Gegenzug fällt Tillerson hin und wieder dadurch auf, dass er sich von Trump distanziert. Als der Präsident sich nach der Gewalt von Charlotteswille im August weigerte, die rechtsradikalen Marschierer klar zu verurteilen, sagte Tillerson, der Präsident spreche nur für sich selbst.

Hinter den Kulissen geht es nach Medienberichten noch etwas deftiger zur Sache. In einer Besprechung im Juli habe Tillerson den dabei nicht anwesenden Präsidenten einen „beschissenen Schwachkopf“ genannt und kurz vor dem Rücktritt gestanden, meldete der Fernsehsender NBC. Nur eine Intervention von Vizepräsident Mike Pence habe den Abschied des Außenministers verhindert. Tillerson dementierte, dass er von Pence zum Bleiben überredet worden sei – das mit dem „Schwachkopf“ hätte er gleich mit dementieren können, tat es aber nicht.

Trumps Schwiegersohn agiert als eine Art Nebenaußenminister

Laut „New York Times“ sprechen Mitarbeiter Tillersons von einer „tiefen Frustration“ beim Außenminister. Viel Spaß an seinem Posten habe Tillerson nicht. Bob Corker, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat, sieht Tillerson als Zielscheibe von Angriffen aus anderen Teilen der Trump-Regierung: „Ich glaube das nicht nur – aufgrund meiner Beobachtungen bin ich sicher“, sagte Corker. Im Weißen Haus agiert Trumps Schwiegersohn Jared Kushner als Nahost-Gesandter und eine Art Nebenaußenminister für die wichtige Weltregion.

Viele Beobachter fragen sich, warum Tillerson nicht längst schon hingeschmissen hat. Vielleicht liegt es an seinem Verantwortungsbewusstsein. Corker betonte, Männer wie Tillerson, Verteidigungsminister Mattis und der Stabschef im Weißen Haus, John Kelly, bewahrten das Land „vor dem Chaos“ einer Trump-Regierung ohne mäßigende Korrekturen. Tillerson, Mattis, Kelly und McMaster werden manchmal die „Erwachsenen“ der Regierung genannt.

In einigen Medienberichten ist zudem von einem politischen „Selbstmord-Pakt“ von Tillerson, Mattis und Finanzminister Steven Mnuchin die Rede: Sollte Trump einen von ihnen ernsthaft attackieren, wollen alle zurücktreten. Die Drohung eines solchen Gruppen-Rücktritts, der eine schwere Regierungskrise auslösen würde, soll den Präsidenten zügeln.

Mit seinem Vericht auf ein eindeutiges Dementi des „Schwachkopf“-Ausspruchs hat sich Tillerson aber möglicherweise keinen Gefallen getan. Die Differenzen zwischen Trump und Tillerson seien so ausgeprägt wie noch nie, meldete der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf Gewährsleute im Weißen Haus.

Schon kommende Woche könnte es neuen Krach geben. Die Trump-Regierung muss bis zum 15. Oktober beim Kongress eine Bewertung darüber abgeben, ob der Iran die Auflagen des internationalen Atomabkommens erfüllt. Während Trump andeutet, dass er den Atomdeal aufkündigen will, plädieren Tillerson und Mattis dafür, bei der Vereinbarung zu bleiben.

Schon jetzt fordern einige Experten, der Außenminister solle die Konsequenzen aus dem chronischen Clinch mit dem Präsidenten ziehen. Tillerson habe von Trump eine undankbare Aufgabe erhalten und diese auch noch schlecht ausgeführt, schrieb Richard Haass, der Präsident der Denkfabrik Council on Foreign Relations, auf Twitter: „Er sollte zurücktreten.“ Mit der ehrgeizigen UN-Botschafterin Nikki Haley steht eine potenzielle Nachfolgerin schon bereit.

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