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Einpacken? Unterstützer tragen Schilder Trump-Kampagne weg. Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump gerät wegen seiner vulgären Äußerungen über Frauen in Bedrängnis.
© REUTERS
Update

Abkehr von Donald Trump: Rette sich, wer kann

Seit Donald Trumps herablassende Äußerungen über Frauen und Sex die Runde machen, gehen immer mehr Republikaner auf Distanz. Warum nicht früher? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trumps Äußerungen, was er sich bei Frauen alles erlauben könne, sind schlimm genug. Sie zeigen einen raubtierhaften Umgang: Er könne sie überall anfassen, und niemand werde ihm Einhalt gebieten, denn seine Berühmtheit und sein Reichtum machten ihn einerseits attraktiv, andererseits unangreifbar.

Der Druck aus der Partei gegen Trump wächst

Die durchschlagendere Wirkung dürften jedoch die Reaktionen der Republikaner darauf haben. Die Absetzbewegung hatte bereits begonnen, bevor Trumps vulgäre Äußerungen über Frauen von 2005 die Runde machten. Auf der Wahlkarte der USA ist Trump in den entscheidenden "Swing States" im September zurückgefallen.

Direkt vor der zweiten TV-Debatte in der Nacht zu Montag wollen einflussreiche Parteifreunde nicht mehr öffentlich mit ihm auftreten wie der "Speaker" des Repräsentantenhauses Paul Ryan und der einem deutschen Generalsekretär vergleichbare Reince Priebus. Oder sie sagen sich ganz von ihm los, darunter namhafte Senatoren wie John McCain und Kelly Ayotte, die um ihre Wiederwahl fürchten. Manche fordern Trump offen auf, die Kandidatur aufzugeben - was er natürlich ablehnt und was auch niemand erzwingen kann.

Vize Mike Pence ist die letzte Hoffnung

Republikaner, die als Abgeordnete, Senatoren, Gouverneur, Sheriff-Kandidaten um ihre Wahlchancen fürchten, wollen nicht mit in den Trump-Strudel herabgerissen werden. Nun herrscht erst recht eine Stimmung: Rette sich, wer kann! Einige schlagen Wählern vor, ihn bei der Wahl zu ignorieren und den Namen eines vertrauenswürdigeren Republikaners auf den Wahlzettel zu schreiben ("Write-in"). Meist wird der Vizekandidat Mike Pence genannt.

Die Versuche der Trump-Verteidiger, die Äußerungen von 2005 als einmalige Entgleisung hinzustellen, werden wohl keinen Erfolg haben. Nachdem nun die Jagd auf solche Zitate begonnen hat, werden immer mehr davon auftauchen.

Die Medien schonen Trump nicht mehr

So stellen sich zwei Fragen. Erstens: Warum kümmern sich die Republikaner und Amerikas Medien jetzt erst so intensiv um diese Themen? Dass Trump generelle Charakterschwächen hat, ist weder neu noch eine Überraschung. Sie hätten schon in den Vorwahlen und den damaligen TV-Debatten unter Republikanern zur Sprache kommen müssen. Vor allem die TV-Sender haben in seiner Kandidatur viel zu lange ein gutes Geschäft gesehen - da er gute Einschaltquoten bringt und damit die Werbeeinnahmen erhöht.

Dass er genauer unter die Lupe genommen wird, ist allein den bewundernswerten Rechercheleistungen großer Zeitungen, ganz voran der "New York Times" aber auch der "Washington Post" zu verdanken. Sie hatten bereits früh Trumps Umgang mit Frauen, seine Steuervermeidung, die schlechte Behandlung von Arbeitern und Handwerkerfirmen, die für ihn arbeiteten, thematisiert.

Trumps Strategie für die TV-Debatte heute Nacht

Zweitens: Welche Auswirkung haben die Enthüllungen auf die TV-Debatte in der Nacht zu Montag? Trump wird einen anderen Entlastungsangriff versuchen. Ja, ich bin ein unverbesserlicher Frauenheld, aber die Clintons sind noch viel schlimmer. Bill ist nicht nur ein Ehebrecher, er ist ein Vergewaltiger. Und Hillary hat in solchen Situationen keinerlei weibliche Solidarität bewiesen und sich auf die Seite der Opfer von Bill gestellt, sondern diese erpresst, still zu halten.

Kann Trump nochmal zurückkommen?

Trumps Anhänger sind freilich immun gegen jede Art von Aufklärung. Was gegen ihren Kandidaten vorgebracht wird, gilt im Zweifel als "Lügenpresse". Trump ist noch nicht erledigt. Der Wahlkampf bewegt sich nun in den Zeitraum der sprichwörtlichen "October Surprise": unerwarteter schmutziger Enthüllungen. Beide Lager sind offenkundig gut versorgt mit Munition. Am Freitag - dem selben Tag, an dem das Trump-Video von 2005 publik wurde - veröffentlichte Wikileaks die Auszüge aus Clintons hoch bezahlten Reden für Banken. An "normalen" Tagen hätte das eine Welle unangenehmer Fragen an sie provoziert und die Nachrichten bestimmt. Das Trump-Video wirkte wie ein Schutzschild für sie. Reiner Zufall? Die nächsten Wochen dürften unangenehme Überraschungen für beide Seiten bringen. Die Erfahrung vom vergangenen Freitag zeigt: Clinton ist nicht wehrlos. Ihr Lager beherrscht die schmutzigen Methoden ebenso gut. 

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