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Eine syrische Fahne in Aleppo.
© AFP
Update

Krieg in Syrien: Regierungstruppen stehen kurz vor der Einnahme Aleppos

Die syrische Armee sieht den Kampf um Aleppo in der Endphase, die Rebellen sind fast besiegt. Laut UN haben Regierungssoldaten mindestens 82 Zivilisten in Ost-Aleppo getötet.

Die syrische Armee sieht sich kurz vor der kompletten Einnahme der seit Monaten umkämpften Stadt Aleppo. Die Offensive auf die Rebellenviertel im Osten der Stadt gehe "in die Endphase", sagte ein syrischer Armee-Vertreter am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Aktivisten zufolge zogen sich die Rebellen aus sechs weiteren Vierteln vollständig zurück. "Der Kampf um Aleppo hat sein Ende erreicht", sagte der Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Montag. Er sprach von einem "vollständigen Zusammenbruch" der Rebellen-Gruppen. Seinen Angaben zufolge zogen sich die Rebellen vor allem aus dem besonders stark abgesicherten Bezirk Bustan al-Kasr zurück. Demnach kontrollierten sie nur noch einen kleinen Bereich im Ostteil Aleppos.

Zuvor hatten syrische Regierungstruppen laut Aktivisten einen großen Stadtteil im Südosten der umkämpften Stadt eingenommen. Die Truppen hätten das Stadtviertel Scheich Said am frühen Montagmorgen erobert, teilte die Beobachtungsstelle mit. Damit kontrollierten die Regierungstruppen nun 90 Prozent der früheren Rebellengebiete im Ostteil der Stadt. Aleppo war bis vor kurzem in einen von der Regierung kontrollierten Westen und einen von Aufständischen gehaltenen Osten geteilt. Mitte November startete die syrische Armee eine Großoffensive, um Aleppo vollständig zurückzuerobern. Der Fall der Stadt in Regierungshände wäre die schwerste Niederlage für die Rebellen in dem seit 2011 währenden Konflikt. Die Regierung würde damit wieder die fünf größten Städte des Landes kontrollieren.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) ist wegen der humanitären Lage in Aleppo alarmiert. Die gesundheitliche Situation in der Stadt sei katastrophal, berichtete die Organisation am späten Montagabend auf Twitter. Es gebe kaum noch Medikamente, viele Menschen hielten sich wegen der andauernden Kämpfe seit Tagen versteckt und hätten keine Nahrung und kein Wasser.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich besorgt nach jüngsten Berichten über Gräueltaten gegen Zivilisten in Aleppo. Es gebe auch Berichte von Gräueltaten gegen Frauen und Kinder, sagte Ban laut Mitteilung am Montag in New York. Die Vereinten Nationen könnten diese Berichte nicht unabhängig nachprüfen, aber sie machten ihn sehr besorgt, sagte Ban weiter. Er habe den UN-Sonderbeauftragten für den Konflikt in Syrien, Staffan de Mistura, gebeten, dringend mit allen Beteiligten darüber zu sprechen.

Syrische Regierungstruppen und ihre Verbündeten haben nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen Tagen mindestens 82 Zivilisten im Ostteil Aleppos getötet. Darunter seien elf Frauen und 13 Kinder aus vier verschiedenen Bezirken des bisher von Rebellen gehaltenen Ostteils der Stadt, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Dienstag in Genf. Das UN-Büro könne sich auf glaubwürdige Informationen von vor Ort berufen, die meisten Opfer seien "wahrscheinlich in den vergangenen 48 Stunden" getötet worden.

Frankreich wirft Russland "Doppelzüngigkeit" vor

In Scheich Said hatten sich Regierungstruppen und Rebellen nach Angaben der Beobachtungsstelle seit Sonntagnachmittag heftige Gefechte geliefert. Die Rebellenvierteil seien auch aus der Luft bombardiert worden. In den vergangenen 24 Stunden seien erneut mehr als 10.000 Zivilisten aus diesen Vierteln geflohen, teilte die Beobachtungsstelle mit, deren Angaben von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen sind. Russland unterstützt die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad militärisch und gilt als Schlüsselland in den internationalen Verhandlungen den Konflikt.

Frankreich übte unterdessen scharfe Kritik an der Rolle Russlands. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault warf Moskau nun vor, durch "Doppelzüngigkeit" und "eine Art permanenter Lüge" eine Vereinbarung auf eine friedliche Beilegung des Konflikts verhindert zu haben. Die russischen Vertreter sagten "auf der einen Seite, 'wir verhandeln, wir verhandeln, wir werden zu einer Feuerpause kommen'", sagte Ayrault. "Auf der anderen Seite setzt man den Krieg fort und dieser Krieg ist ein umfassender: Es ist der Wille, das Regime von Baschar al-Assad zu retten und Aleppo zu Fall zu bringen."

Die EU-Außenminister diskutierten am Mittag ihren künftigen Kurs in der Syrien-Frage. Im Auftrag der EU-Staaten hatte die Außenbeauftragte Federica Mogherini am Freitagabend bereits eine Ausweitung der Sanktionen gegen syrische Verantwortliche angekündigt. Es sollen demnach weitere Namen auf die Liste mit Einreise- und Vermögenssperren gesetzt werden. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sah die EU-Haltung in dem Konflikt in einer Sackgasse. "Wir haben immer gesagt, es gibt keine militärische Lösung. Was sich anbahnt, ist eine militärische Lösung." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte: "Wenn die große politische Lösung für Syrien im Augenblick nicht erreichbar ist, dann muss erste Priorität sein die humanitäre Versorgung der Bevölkerung". (AFP)

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