Nach Protesten im Libanon: Regierungschef Hariri kündigt Rücktritt an
Seit Tagen protestieren im Libanon Tausende gegen die Regierung, Misswirtschaft und Korruption. Nun zieht der Ministerpräsident die Konsequenz.
Unter dem Druck massiver Proteste hat Libanons Regierungschef Saad Hariri seinen Rücktritt angekündigt. Er werde mit seiner gesamten Regierung beim Präsidenten den Rücktritt einreichen, sagte Hariri am Dienstag in einer Fernsehansprache am Dienstag in Beirut. Er habe im Ringen um eine Lösung aus der wirtschaftlichen Krise eine „Sackgasse“ erreicht. Aoun muss nun parlamentarische Beratungen abhalten, damit ein Nachfolger benannt und eine neue Regierung gebildet werden kann.
Hariri begründete seine Entscheidung auch als Reaktion auf die laufenden Proteste Tausender, die bei Demonstrationen ein neues politisches System und den Rücktritt der gesamten Regierung gefordert hatten. „Niemand ist größer als dieses Land“, sagte Hariri. „Dies ist eine ernsthafte Gelegenheit, die nicht verspielt werden sollte“, sagte Hariri an seine politischen Partner gerichtet. Demonstranten jubelten nach der Ankündigung, tanzten und schwenkten Landesflaggen.
Bundesaußenminister Maas warnt vor „politischem Vakuum“
Hariri und sein Kabinett hatten nach Auswegen aus der Krise gesucht, um den Protesten ein Ende zu bereiten. Als Teil der angekündigten Reformvorhaben sollten etwa Gehälter von Ministern und Parlamentsabgeordneten um die Hälfte gekürzt werden. Außerdem sollten Regierungseinrichtungen geschlossen oder zusammengelegt werden und kommendes Jahr keine neuen Steuern erhoben werden.
Bundesaußenminister Heiko Maas warnte während eines Besuchs in Kairo vor einem „politischen Vakuum“ im Libanon. Die weitere Entwicklung dort sei „für uns, aber auch für die ganze Region dort von ganz entscheidender Bedeutung“, sagte Maas.
Die Proteste hielten nach diesen Versprechen aber an. Libanesen erteilten den Reformversprechen eine Absage und forderten ein neues politisches System samt Rücktritt der gesamten Regierung. Am Montag hatte es aus Regierungskreisen noch geheißen, die Regierung wolle an der Macht bleiben und so verhindern, dass das Land ins Chaos abdriftet.
Land hat eine der höchsten Schuldenquoten weltweit
Das kleine Mittelmeerland mit rund sechs Millionen Einwohnern kämpft mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise und leidet unter dem Krieg im benachbarten Syrien. Die Staatsverschuldung liegt bei 86 Milliarden US-Dollar (gut 77 Milliarden Euro), was einer Quote von etwa 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Es ist eine der höchsten Schuldenquoten weltweit. Kritiker werfen der Regierung vor, Reformen über Jahre verschleppt zu haben.
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Die seit fast zwei Wochen laufenden Proteste waren weitgehend friedlich verlaufen, hatten das öffentliche Leben in Beirut aber teils lahmgelegt. Banken, Schulen und Geschäfte wurden geschlossen. Auch am Dienstag waren zentrale Straßen gesperrt. Demonstranten hatten zuvor Straßensperren und Barrikaden errichten.
Friedliche Demonstrationen endeten nach Wochen erstmals gewaltsam
Am Dienstag begann die Stimmung teilweise zu kippen, als Protestler und Anhänger zweier schiitischer Gruppen gewaltsam aneinander gerieten. Anhänger der Hisbollah und der mit ihr Verbündeten Amal-Bewegung zerstörten Zelte der Protestler im Stadtzentrum, woraufhin einige Demonstranten die Flucht ergriffen. Die Anhänger beider Gruppen setzten Augenzeugen zufolge auch einige Zelte in Brand, griffen die Crew eines TV-Senders an und zerstörten deren Kameras. Mindestens sechs Menschen wurden dem Libanesischen Roten Kreuz zufolge verletzt.
Die Demonstranten hätten eine Straße blockiert und würden andere Menschen nun davon abhalten, ihrer Arbeit und ihrem Alltag nachzugehen, sagte ein Amal-Anhänger der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist nicht fair. Wir werden die Straße um jeden Preis öffnen.“ Ein Demonstrant sagte, die Hisbollah habe „diese Leute“ geschickt, um den Protesten ein Ende zu bereiten. Die Organisation ist an der Regierung beteiligt.
Für die Hisbollah waren die Proteste in den vergangenen Tagen zunehmend zur Herausforderung geworden: Sie hat sich den Schutz der Armen und den Kampf gegen Ungerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Unter wachsendem Unmut über die wirtschaftliche Lage gingen aber auch Hisbollah-Anhänger auf die Straße. So kam es etwa im Süden des Landes, wo die Hisbollah aktiv ist, ebenfalls zu Protesten. (AFP, dpa)
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