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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht in Berlin im Bundeskanzleramt auf einer Pressekonferenz zu den Medienvertretern.
© Kay Nietfeld/dpa

Geheimgespräche mit Journalisten: Regierung will "eigene politische Vorstellungen verwirklichen"

Das Kanzleramt sieht durch ein Urteil zur Teil-Transparenz bei geheimen Presserunden seine Arbeitsfähigkeit gefährdet. Der Journalistenverband sieht eine Farce.

Im Weißen Haus in Washington heißen sie "Background Briefings", im Kanzleramt von Angela Merkel (CDU) ist von "Hintergrundgesprächen" die Rede: Vertrauliche Zusammenkünfte von Medien und Mächtigen, über die kein Wort nach außen dringen soll. In einem Rechtsstreit der Regierungszentrale mit dem Tagesspiegel hat das Verwaltungsgericht Berlin in erster Instanz in einem Eilverfahren entschieden, dass bei dem sensiblen Thema "ein zügiger Eintritt von Transparenz" geboten sei. Die sei auch dringlich, da vielfach Kritik an "einseitiger Nachrichtenpraxis" geübt werde. Wird der Beschluss rechtskräftig, muss das Kanzleramt preisgeben, wann, wo, zu welchen Themen und mit welchen Beteiligten die vertraulichen Runden stattgefunden haben.

Das Kanzleramt hat gegen den Beschluss vom Dezember vergangenen Jahres Beschwerde erhoben. Auf knapp 50 Seiten begründen die Anwälte der Regierung, weshalb es aus ihrer Sicht keine Transparenz geben darf. Zentrales Argument: Die Geheimgespräche hätten eine "überragende Bedeutung" für die "Funktionsfähigkeit des Kanzleramts". "Jahrzehntelang erprobte Instrumente der Willensbildung und Willensvermittlung" ständen auf dem Spiel. Es handele sich hier um den „Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung“. „Zur wirksamen Willensbildung der Bundesregierung muss es einen vertraulichen und geschützten Bereich der Kommunikation zwischen Regierungsmitgliedern und Journalisten geben“.

Merkel will prüfen, welche Positionen medial vermittelbar sind

Durch eine Offenlegung würde dieser gerade für die Kanzlerin wichtige Faktor entfallen. Die Preisgabe führe zu einem „nicht wiedergutzumachenden Ansehensverlust der Bundesrepublik im In- und Ausland“. Zudem müsse die Regierung die Möglichkeit behalten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu prüfen, „inwieweit bestimmte politische Positionen medial vermittelbar sind“. Damit könne ein Eindruck davon gewonnen werden, welche Möglichkeiten bestehen, "die eigenen politischen Vorstellungen tatsächlich verwirklichen zu können".

Transparenz ist eine der wichtigsten Säulen der Demokratie. Wie soll der Bürger Politik bewerten, wenn er keine Informationen bekommt? Auch die Pressefreiheit ist ja kein Wert an sich, sondern dient eben diesem Zweck, der Information des Bürgers.

schreibt NutzerIn Gophi

Das Kanzleramt ist der Auffassung, die verlangte teilweise Transparenz hätte "ein sofortiges Ende derartiger Gespräche zur Folge". Eine ausreichende Begründung, weshalb dieser Schluss zwingend ist, fehlt jedoch. Die Regierung meint, dass die nötige "Vertraulichkeit" in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein könne.

Das Verwaltungsgericht verlangt allerdings lediglich Angaben zu den Teilnehmern und weiteren äußeren Umständen sowie eine Bezeichnung der Themen der Gespräche. Mit anderen Worten: Eine Art Tagesordnung mit den Veranstaltungsdaten. "Details", wie das Kanzleramt meint, müssten demnach gerade nicht mitgeteilt werden. Dem Kanzleramt steht es auch weiter frei, die Treffen zu organisieren, und Journalisten, den Einladungen zu folgen. Was genau besprochen wird, darf auch nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts geheim gehalten werden.

Journalistenverband kritisiert Gerichtsbeschluss als Farce

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat dennoch vor einer Aushöhlung des Redaktionsgeheimnisses gewarnt. Der Gerichtsbeschluss sei „eine Farce“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Montag. Viel wichtiger sei es zu wissen, mit welchen Lobbyisten die Kanzlerin rede. Hintergrundgespräche seien keine Kungelrunden, sondern wichtige Instrumente zur Gewinnung und Einordnung von Informationen. "Wenn der Richterspruch so stehen bleibt, wäre er auf alle Politiker bis hinunter zum Bürgermeister übertragbar“, sagte Überall. Hintergrundgespräche müssten auch künftig möglich sein.

Hinweis: Der Autor ist zugleich Antragsteller im Verfahren VG 27 L 369.16 vor dem Berliner Verwaltungsgericht, auf dem der erstinstanzliche Beschluss beruht. Der Beschluss ist hier dokumentiert.

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