Euro-Krise: Regierung will auch für ESM Zweidrittelmehrheit erreichen
Das Ja der Opposition zum Fiskalpakt hat sich die Bundesregierung teuer erkauft. Jetzt hat sie sich vorgenommen, auch den dauerhaften Rettungsfonds ESM mit einer breiten Mehrheit durch den Bundestag zu bringen.
Für den EU-Rettungsschirm ESM will die Bundesregierung im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erreichen. Das sei eine besondere Vorsichtsmaßnahme, um etwaige verfassungsrechtliche Risiken auszuschließen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Für den europäischen Fiskalpakt ist eine Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben, für den ESM nicht. Die Abstimmung im Bundestag ist an diesem Freitag.
Für das Ja von SPD, Grünen und Ländern zum Fiskalpakt muss die Bundesregierung bereits einen hohen Preis zahlen. Schäuble will aber trotz der Milliardenzusagen an die Länder keine Abstriche an seinen Haushaltszielen machen. Aus Regierungskreisen verlautete am Montag in Berlin, die Abweichungen vom Etatentwurf für 2013 könnten im Haushaltsverfahren geschultert werden. Die Zusatzbelastungen dürften sich im nächsten Jahr dem Vernehmen nach bei 1,2 Milliarden Euro bewegen. Davon entfallen etwa 580 Millionen Euro auf den Kinderkrippen-Ausbau.
Bund und Länder hatten sich am Sonntag im Kanzleramt auf Eckpunkte zur Umsetzung des europäischen Fiskalpaktes für Haushaltsdisziplin verständigt. Damit ist die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat am Freitag zur Ratifizierung des Fiskalpaktes gesichert. Allerdings hat das letzte Wort das Verfassungsgericht.
Unter anderem will die Linke den Fiskalpakt zu Fall bringen, weil er massiv in nationale Haushaltsrechte eingreife. Wegen der Klagen kann der im Paket mit dem Fiskalpakt verhandelte dauerhafte Rettungsschirm ESM nicht wie geplant zum 1. Juli starten. Er sieht Notkredite mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro für kriselnde Euroländer vor.
Schäuble will 2013 die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten und damit drei Jahre früher als nötig. Zudem peilt er 2016 einen Etat ohne neue Schulden und mit einem Überschuss an - erstmals seit mehr als 40 Jahren. Dann will der Bund mit der Schuldentilgung starten. Mit den Ländern wurde trotz der Sparziele vereinbart, dass der Bund sich ab Ende 2013 an den Kosten der Eingliederungshilfe für Behinderte beteiligt. Konkrete Beträge wurden nicht genannt. Zudem soll in diesem Herbst über die Fortsetzung der 2014 auslaufenden Zahlungen des Bundes etwa für den Kommunalverkehr entschieden werden. Ferner wollen Bund und Länder ab 2013 gemeinsam Anleihen anbieten. Es bleibt bei einer Teilschuldner-Haftung. Die Länder hoffen, damit von den niedrigen Zinsen des Bundes zu profitieren.
Gegen Kritik aus dem Ausland wehrt sich der Finanzminister heftig.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat Kritik von US-Präsident Barack Obama am Kurs der Bundesregierung in der Eurokrise zurückgewiesen. “Herr Obama soll sich doch vor allen Dingen mal um die Reduzierung des amerikanischen Defizits kümmern. Das ist höher als das in der Euro-Zone“, sagte der CDU-Politiker am Sonntag im ZDF. Man könne sehr schnell Anderen Ratschläge geben. Obama hatte die Europäer in letzter Zeit immer wieder aufgefordert, alles zu tun, um die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum einzudämmen. Hintergrund ist, dass die Probleme in Europa mehr und mehr die Weltwirtschaft beeinträchtigen und die Finanzmärkte verunsichern.
Mit Blick auf die Krise in der Euro-Zone sagte Schäuble, so lange die Entscheidungen bei den Nationalstaaten lägen, müssten die Länder auch haften. “Wenn Sie Geld auf meine Rechnung ausgeben können, werden sie mit dem Geld nicht sparsam sein“, betonte der Finanzminister.
Schäuble sagte zudem, es sei nicht entscheidend, jetzt viel Geld - etwa durch die Europäische Zentralbank - in die Hand zu nehmen. Die Ursachen der Krise müssten glaubhaft bekämpft werden. Das gelinge in Irland und Portugal sehr gut. “Es gelingt in Griechenland nicht so gut“, sagte der Minister. Es müsse eine Struktur für eine gemeinsame Währung geschaffen werden. Reformen könnten schnell geschehen. So könnten am Donnerstag und Freitag auf dem EU-Gipfel glaubwürdige Beschlüsse gefasst werden.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler will der griechischen Regierung nicht durch eine Lockerung der harten Sparauflagen entgegenkommen. “Wichtig ist, dass man sich zu dem bekennt, was vorherige Regierungen auch vereinbart haben“, sagte Rösler am Montag im ZDF. “Es kann keine Rabatte auf Reformen selber geben“, unterstrich er. “Wir haben immer klar gemacht: die neue Regierung, egal wer sie zu bilden hat, muss sich klar zu dem Anpassungsprogramm bekennen.“ Rösler bemängelte, das, was man bislang aus Griechenland von der neuen Regierung höre, gehe eher “in die andere Richtung“.
Auch FDP-Chef Rainer Brüderle drohte in der “Bild“-Zeitung: "Weitere Unterstützung für Griechenland kann es nur geben, wenn sich die Hellenen an die Sparvorgaben halten."“ Griechenland dürfe von diesen Zusagen nicht abrücken. Immerhin räumte Brüderle ein, bei den Zeitvorgaben für die Umsetzung einzelner Reformschritte “mag es noch sinnvolle Änderungen geben“. Auch der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sagte der Zeitung, wenn Griechenland sich nicht an seine Zusagen halte, könne kein weiteres Hilfe-Geld mehr fließen.
Mit Steuersenkungen sowie Hilfen für Arme und Arbeitslose will die neue griechische Regierung die Folgen ihres Sparprogramms abmildern. Der von Reuters eingesehene Plan der Drei-Parteien-Koalition sieht außerdem einen Stopp von Entlassungen im öffentlichen Dienst sowie eine längere Zeit zur Tilgung der Schulden vor. Bei vollständiger Umsetzung des Programms würde Griechenland einen Teil seiner Zusagen unterlaufen, die es im Februar im Gegenzug für Hilfen im Umfang von 130 Milliarden Euro seinen internationalen Partnern gegeben hat.
Weitere Hilfezahlungen des IWF und der europäischen Partner für Griechenland hängen maßgeblich vom Ergebnis der neuen Prüfung der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF ab. Die Troika verschob allerdings ihre für Montag geplante Reise in das Land, weil Ministerpräsident Antonis Samaras und der designierte Finanzminister Vassilis Rapanos krank sind.
(Reuters/dpa)