Nigeria: Regierung verhandelt mit Boko Haram über Freilassung entführter Schülerinnen
Die Islamistengruppe Boko Haram hat nach Angaben der nigerianischen Regierung eine Waffenruhe und die Freilassung der vor einem halben Jahr entführten 219 Schülerinnen zugesagt. Allerdings sollen die Bedingungen dafür erst noch ausgehandelt werden.
Die Islamistengruppe Boko Haram hat nach Angaben der nigerianischen Staatsführung eine Waffenruhe und die Freilassung der vor einem halben Jahr entführten Schülerinnen zugesagt. Zwischen der Regierung und Boko Haram sei eine Waffenruhe vereinbart worden, sagte der nigerianische Generalstabschef Alex Badeh am Freitag. Weiter hieß es, auch die Freilassung der Mädchen sei vereinbart worden. Die Regierung Nigerias hatte ähnliche Verlautbarungen über eine bevorstehende Freilassung der in der Stadt Chibok entführten Schülerinnen allerdings schon mehrfach gemacht.
Er habe angeordnet, "die Umsetzung des Abkommens unmittelbar sicherzustellen", sagte Badeh weiter. Ein enger Mitarbeiter von Präsident Goodluck Jonathan, Hassan Tukur, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Vereinbarung sehe auch die Freilassung der im April entführten 219 Mädchen vor. Nach eigenen Angaben hatte Tukur selbst die Regierung bei zwei Verhandlungstreffen mit Boko Haram im benachbarten Tschad vertreten. Die Waffenruhe sei "Ergebnis der Verhandlungen". Die Vereinbarung sei in der Nacht zum Freitag getroffen worden.
Vorsichtige Hoffnung für die Chibok-Mädchen
Zudem hätten die Islamisten "zugestimmt, die Chibok-Mädchen freizulassen", sagte Tukur. In weiteren Verhandlungen werde die Freilassung der Mädchen und jungen Frauen angestrebt, sagte Regierungssprecher Mike Omeri dem britischen Sender BBC. Die Verhandlungen sollen nach Tukurs Angaben wieder in Ndjamena stattfinden. Allerdings herrscht Unklarheit über den angeblichen Verhandlungsführer auf Boko-Haram-Seite. Tukur sagte, es handele sich um einen Mann namens Danladi Ahmadu, der am Freitag auch ein Radiointerview gab. Beobachtern ist der Mann unbekannt. Auch Fred Eno, der nach Informationen der nigerianischen Internetzeitung "Premium Times" zum Verhandlungsteam auf Regierungsseite gehört, war lediglich "vorsichtig optimistisch", wie er in einer Nachricht beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb. Es sei noch "viel Geduld nötig", schrieb er weiter.
Boko Haram hatte am 14. April eine Schule in Chibok im Nordosten Nigerias überfallen und 276 Mädchen verschleppt. Fast 60 von ihnen konnten fliehen, von den anderen fehlte lange jede Spur. In der vergangenen Woche berichteten nigerianische Medien allerdings, dass sich vier weitere Mädchen hätten befreien können. Sie seien drei Wochen lang zu Fuß von Kamerun aus nach Nigeria gelaufen. Die Massenentführung der Mädchen hatte weltweit Bestürzung ausgelöst. Vor wenigen Tagen fanden in ganz Nigeria erneut Demonstrationen statt, mit denen ein halbes Jahr nach der Entführung an das Schicksal der Mädchen erinnert wurde. Organisiert wurden die Proteste wie schon seit einem halben Jahr fast täglich von der Aktivistengruppe #BringBackOurGirls, die sich unter diesem Suchbegriff auf dem Kurznachrichtendienst Twitter gebildet hatte. Muhammad Yahaya, ein Sprecher der Eltern der entführten Mädchen sagte dem britischen Sender BBC: "Die Regierung muss mehr tun, um die Mädchen zurückzubringen. Einige Eltern sterben. Sechs Frauen haben den Verstand verloren, weil sie das Trauma nicht verarbeiten konnten." Auch seine Tochter ist von Boko Haram verschleppt worden. "Die Hoffnung schwindet", sagte Hosiah Loan, ein anderer Vater aus Chibok, berichtete die nigerianische Internetzeitung "Premium Times" am Mittwoch. Am Freitag schrieb die Kampagne bei Twitter, sie beobachte die Entwicklungen "mit großen Erwartungen".
Der "Nigeria Security Tracker" des amerikanischen Thinktanks Council on Foreign Relations (CFR) hat bis Ende September rund 6000 Tote dokumentiert, die entweder Opfer von Attentaten durch Boko Haram oder von Angriffen der nigerianischen Armee im Kampf gegen die Islamistenmiliz geworden sind. Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR berichtete vor einem Monat von 650 000 Vertriebenen in den drei nordöstlichen Bundesstaaten Borno, wo auch Chibok liegt, Yobe und Adamawa. Zehntausende sind auch in das Nachbarland Kamerun geflohen.
Eine regionale Eingreiftruppe kämpft gegen Boko Haram
Im Juli einigten sich die Regierungen von Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger darauf, eine schon vor Jahren aufgestellte schnelle Eingreiftruppe mit 2800 Soldaten wieder zu beleben. Am 7. Oktober einigten sich die Sicherheitskräfte von Nigeria, Kamerun, Tschad, Niger und Benin auf eine gemeinsame militärische Strategie zur Bekämpfung von Boko Haram. Seither wurden aus diesen Ländern mehrfach erfolgreiche Angriffe gegen die Terroristen gemeldet. Im August hatte Boko Haram die Stadt Gwoza erobert und ein Video veröffentlicht, wonach dort ein "Kalifat" gegründet worden sei. Der Islamische Staat in Syrien und dem Irak sollte offenbar als Vorbild dienen. Mitte September berichtete der Erzbischof von Maiduguri, Oliver Dashe Doeme, dass 25 Städte in den drei Bundesstaaten in der Hand von Boko Haram seien. Inzwischen berichtete die nigerianische Armee, sie habe mehrere dieser Städte wieder zurückerobert.
Attentate und Entführungen auch in Kamerun
Im Sommer begann Boko Haram auch im benachbarten Kamerun Attentate zu verüben. Am 27. Juli griffen die Terroristen die lokale Residenz von Vize-Ministerpräsident Amadou Ali in Kolofata an und entführten seine Frau. Bei einer zeitgleichen Attacke auf den Palast des Sultans von Kolofata, Seiny Boukar Lamine, wurden der Sultan, seine Frau und seine fünf Kinder verschleppt. Mindestens 15 Menschen wurden bei den Angriffen getötet. Anfang Oktober meldete Kameruns Präsident Paul Biya, dass in Kamerun 27 Geiseln aus der Gewalt mutmaßlicher Boko-Haram-Extremisten freigekommen seien, darunter zehn Chinesen und die Frau des Vize-Regierungschefs. In der Nacht auf den 17. Mai hatten mutmaßliche Kämpfer der Gruppe ein Lager chinesischer Arbeiter in Waza angegriffen und einen kamerunischen Soldaten getötet sowie zehn Chinesen entführt.
Nigerias christlicher Staatspräsident Goodluck Jonathan hat die Zerschlagung der Miliz mehrfach versprochen. „Unsere Sicherheitskräfte liefern sich mit den Terroristen eine Schlacht“, erklärte er zum 54. Jahrestag der
Unabhängigkeit seines mit mehr als 170 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Landes Afrikas am 1. Oktober. „Getrieben von patriotischem Eifer führen sie vernichtende Schläge gegen das Herz des Terrors.“ Tatsächlich konnte die Armee einige Erfolge vermelden. Rund 130 Kämpfer seien im Bundesstaat Borno, wo Boko Haram einst entstand, gefangen genommen worden. Dutzende seien getötet worden. Die Antwort der Terroristen folgte wenig später: Ein Video, das die Enthauptung eines Piloten der nigerianischen Luftwaffe zeigen soll, dessen Flugzeug beim Einsatz gegen die Miliz abgestürzt war.
Nigerias Armee kämpft mit allen Mitteln
Nigerias Armee umfasst insgesamt 60 000 Soldaten. 8500 sind in der Hauptstadt Bornos Maiduguri stationiert worden, um von dort aus gegen die Islamisten zu kämpfen. Der Militäretat Nigerias verschlingt ein Viertel des Staatshaushaltes. Dennoch klagen die Soldaten darüber, dass sie schlechter bewaffnet seien als Boko Haram. Im Sommer hatte es mehrfach Demonstrationen von Ehefrauen und Müttern von Soldaten gegeben, die dagegen protestierten, dass ihre Söhne oder Männer in den Kampf gegen die Terroristen geschickt werden sollten. Derzeit stehen 59 Soldaten vor Gericht, die sich geweigert hatten, in den Kampf zu ziehen. Ihnen droht die Todesstrafe oder lebenslange Haft wegen Befehlsverweigerung.
Der nunmehr fünf Jahre dauernde Kampf gegen Boko Haram wird nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mit allen Mitteln geführt. "Soldaten verhaften hunderte Menschen auf ihrer Suche nach Boko Haram-Mitgliedern und -Unterstützern. Diese Verdächtigen werden dann einem Screening unterzogen, das einem Hexenprozess aus dem Mittelalter gleicht“, sagte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland im September bei der Vorstellung eines Berichts über die Menschenrechtslage in Nigeria. „Die Zahl der Folterfälle ist mit dem Kampf gegen Boko Haram angestiegen, aber gefoltert werden nicht nur mutmaßliche Boko Haram-Mitglieder. Folter kann in Nigeria jeden und jede treffen“, sagte sie weiter. (mit dpa/AFP/KNA)
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