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Linken-Spitzenpolitiker Gregor Gysi, Katja Kipping und Bernd Riexinger (von links)
© Rainer Jensen/dpa
Update

Die Linke und Pegida: Rechtspopulistische Bewegung spaltet eine Partei

In der Frage des Umgangs mit Pegida kommt die Linke nicht auf einen Nenner. Gregor Gysi will mit Anhängern reden - der Parteivorstand lehnt das ab. Der Leipziger Stadtvorsitzende plädiert für eine Öffnung hin zur Anti-Islam-Bewegung.

Die sächsische Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel bekommt in diesen Tagen viel Post - wegen Pegida und ihres Leipziger Ablegers Legida. Die 36-jährige Politikerin, die im August bei der Landtagswahl im Leipziger Süden das einzige Direktmandat für ihre Partei holte, steht in den eigenen Reihen in der Kritik, weil sie sich klar gegen die Anti-Islam-Bewegung positioniert. Manche pöbeln in Briefen und Emails. Andere kommen in die Bürgersprechstunden und machen dort ihrem Ärger Luft. Die Linke und Pegida, gibt's da nicht doch auch Schnittmengen?

Zum Beispiel hat ein Rentner aus der Nähe von Halle an Nagel geschrieben. So lange es die PDS beziehungsweise die Linke gebe, habe sie von ihrem und seinem Lebenspartner "zu jeder Wahl" die Stimmen bekommen. Jetzt aber hat er sich Legida angeschlossen, "da wir Bürger nirgends mehr Gehör finden und die Regierung uns wie unmündige Kinder behandelt". Legida sei "vielleicht nicht die geeignetste Plattform, um unseren Unwillen kund zu tun, aber die einzige".

Von seinen Beobachtungen bei einer Kundgebung des Pegida-Ablegers in Leipzig berichtet der 66-Jährige, die Demonstranten seien "zu 99,99 Prozent keine Nazis" gewesen, aber von einer "Anti-Legida-Horde" genau so beleidigt worden. Einer der Mitläufer auf der Legida-Demo habe die dann angeschrieen: "Dafür sind wir 89 nicht auf die Straße gegangen, um uns nach 25 Jahren von Rotznasen und Chaoten als Nazis beschimpfen zu lassen."

Leipzig plant Aktionstag "Mit dem Gesicht zum Volke"

Nagel ist der Auffassung, dass sich ihre Partei strikt gegenüber Pegida und Ablegern abgrenzen muss. Aber schon in ihrem Stadtverband Leipzig stimmen längst nicht alle ihr zu. Dessen Vorsitzender Volker Külow plant einen Aktionstag "Mit dem Gesicht zum Volke". Külow sagte dem Tagesspiegel dazu: "Wenn eine rechtspopulistische Massenbewegung sich mit solcher Dynamik entfalten konnte, muss sich die Linke fragen, was sie versäumt hat. Ich möchte eine Öffnung und Zugang zu den Teilen der Bewegung, die für linke Argumentationsmuster zugänglich sind." Und weiter: "Es wäre falsch, nur mit tradierten Antifa-Instrumenten gegen Pegida und Legida vorzugehen."

Ob der Plan Külows umgesetzt wird, ist offen. Von Genossen bekam er nach eigenen Worten viel Zustimmung, aber auch Kritik zu hören. An diesem Donnerstagabend soll der Stadtvorstand in einer Sondersitzung entscheiden, wie weiter vorgegangen wird. Klar indes ist jetzt schon: Leipzig zeigt im Kleinen, wie die Linkspartei insgesamt gespalten ist in der Frage des Umgangs mit Pegida.

Als Angela Merkel jetzt sagte, der Islam gehöre zu Deutschland, lehnten 58 Prozent der Linke-Wähler laut Politbarometer diese Feststellung ab. Das war der höchste Wert von allen im Bundestag vertretenen Parteien. Durchschnittlich hatten sich 48 Prozent der Deutschen der Meinung der Kanzlerin angeschlossen. Bei der AfD wiesen 96 Prozent die Feststellung zurück, der Islam gehöre zu Deutschland.

Wie bei allen Parteien gibt es auch unter den Anhängern der Linken fremdenfeindliche Ressentiments. Bei ihren Wahlerfolgen im vergangenen Jahr in Sachsen, Thüringen und Brandenburg konnte die AfD gut auch aus dem Reservoir der Linkspartei schöpfen.

Der Vize-Chef der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, erläuterte vor ein paar Tagen, dies sei "nicht die Hauptquelle" gewesen. "In erster Linie" sei das Sache der Union. Und, so Bartsch weiter: Dresden sei in punkto Pegida eine Besonderheit, ein Spezialfall mit Leuten aus der DDR-Halbwelt und der Hooligan-Szene.

Aber hat nicht Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, in den vergangenen Wochen in ihrer Heimatstadt Dresden mitbekommen, dass sich längst nicht nur Rechte den Pegida-Demos anschließen? "Pegida langt sehr stark in die Debatten in der Stadt hinein, sei es bei Familienfeiern oder im Sportverein. Es spaltet die Stadt", sagte sie in einem Tagesspiegel-Interview, das am Freitagnachmittag im Zug auf dem Weg von Berlin nach Dresden geführt wurde. Sie stellte fest, dass auf Pegida-Demonstrationen "berechtigte Ängste" artikuliert würden. Einen Dialog mit Pegida schloss sie nur für deren Organisatoren aus.

Linken-Führung kritisiert Gabriel für Gespräch mit Pegida-Anhängern

Am Wochenende aber stimmte Kipping dann gemeinsam mit ihrem Ko-Chef Bernd Riexinger in den Chor derer ein, die den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel dafür rügten, dass er an einer Gesprächsrunde mit Pegida-Anhängern in Dresden teilgenommen hatte. Die SPD müsse klären, wie ihr Verhältnis zur AfD sei, twitterte Kipping. "Gabriel traf immerhin mit Pegida eine AfD-Vorfeldorganisation!" Auch Riexinger unterstellte dem SPD-Chef Pegida-Nähe: "Die SPD hätte Dialog mit den Millionen suchen sollen, die gegen Agenda 2010 demonstriert haben. Damals Hohn, heute Verständnis, beschämend!"

Dabei hatte Gabriel nur das getan, was Linksfraktionschef Gregor Gysi schon länger vorhatte. In einem Tagesspiegel-Interview sagte er vor zwei Wochen: "Mit den Funktionären, den Anführern, würde ich nicht reden. Das bringt nichts. Reden muss man aber mit den Mitläufern, und das werde ich auch tun." Gysi bekräftigte das dann so ähnlich nach einer Fraktionsklausur wenige Tage danach in Berlin. Am Montag sagte er dem Fernsehsender N24, er fände es gut, wenn Politik, Medien und Kultur über Pegida aufklären würden, zu einem solchen Gespräch seien dann auch Mitläufer der Bewegung willkommen, die sich dann allerdings auch einiges anhören und auf eine klare Auseinandersetzung gefasst sein müssten.

Bundestagsabgeordnete Renner: Pegida ist im Kern völkisch und autoritär

Die Linkspartei ist in der Frage des Umgangs mit Pegida eben nicht auf einem Nenner. Die thüringische Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner etwa widerspricht prononciert einem Dialog auch mit Pegida-Fans. "Einige halten Pegida für anschlussfähig nach links", sagte sie der "taz". "Das stimmt nicht. Die Systemkritik von Pegida ist im Kern völkisch und autoritär, deshalb gibt es da keine Schnittstellen nach links." An die Adresse Gysis erklärte Renner: "Ich würde lieber mehr prominente Vertreter meiner Partei bei Gegenprotesten sehen." Ähnlich sieht das die NRW-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die am Montag erklärte: "Ein Dialog mit diesen Fakten-resistenten Frustbürgern führt zu nichts, er beschädigt nur die eigene Glaubwürdigkeit."

Die "Süddeutsche Zeitung" befragte Petra Pau, die Vizepräsidentin des Bundestages, nach Schnittmengen zwischen sozialistischen und rechten Weltbildern. Die Linken-Politikerin erklärte, ihre Partei habe sich 1990 früheren NVA- oder Stasi-Offizieren angenommen, auch weil klar war, dass diese sonst womöglich bei den Republikanern landen. "Es gab mal eine sehr bewusste Entscheidung, die uns heute sehr viel Ärger macht, sich den sozialen Interessen der ehemaligen bewaffneten Kräfte zuzuwenden." Die Meinung dieser Leute teile sie trotzdem nicht immer und sage das auch: "Da muss man eine knallharte Trennlinie ziehen.".

Am Wochenende beschloss der Vorstand der Linkspartei unter der Überschrift "Keine Zweideutigkeiten" ein Papier zu Pegida. "Im Umgang mit rechten Demonstrationen entwickeln wir kein pädagogisches Verhältnis, sondern wir demonstrieren dagegen und zeigen klare Kante gegen Rassismus." Dass die Linke nun auch nicht mehr mit den Mitläufern von Pegida sprechen möchte, steht nicht in diesem Papier. Als Riexinger es am Montag der Presse vorstellt, erläutert er, zwischen Linkspartei und Pegida dürfe es "keine Berührungspunkte" geben. Nach den Differenzen in dieser Frage zur Position von Gysi befragt, erläutert der Parteivorsitzende, er erwarte, dass die Linie der Partei "die richtige ist für alle Führungspersönlichkeiten".

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