Ukraine: Rebellen töten Dutzende Soldaten mit Raketenwerfer
Im Osten der Ukraine sind mehr als 30 Regierungssoldaten bei Gefechten mit Separatisten ums Leben gekommen. In der Rebellenhochburg Donezk droht nun ein brutaler Häuserkampf.
Bei einem Angriff prorussischer Separatisten sind im Osten der Ukraine mindestens 30 Soldaten der Regierung ums Leben gekommen. Die Aufständischen hätten die Armeeangehörigen bei Selenopolje im Raum Lugansk massiv mit einem Raketenwerfer beschossen, sagte Sorjan Schkirjak vom Innenministerium in Kiew am Freitag der Agentur Interfax zufolge. „Bisher gibt es Informationen über etwa 30 Tote. Die Zahl kann sich noch erhöhen“, sagte Schkirjak.
Ein Soldat schrieb auf Twitter, dass die Opferzahl 50 oder mehr betragen könnte. Es gebe Hinweise, dass der Beschuss von der russischen Grenze aus gekommen sein könnte. Sollte sich dies bestätigen, wäre es der verlustreichste Angriff der Rebellen seit dem Ende der von Präsident Petro Poroschenko einseitig verkündeten Waffenruhe am 30. Juni. Die Separatisten griffen auch erneut Sicherheitskräfte rund um die Flughäfen von Lugansk und Donezk an. Auch dabei setzten sie schwere Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge ein.
Ukraine: Merkel mahnt Poroschenko zu Verhältnismäßigkeit
Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte Poroschenko am Donnerstagabend in einem Telefonat, „bei seinem legitimen Vorgehen gegen die Separatisten Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Zivilbevölkerung zu schützen“. Beide seien sich einig gewesen, dass politische Gespräche auch mit Vertretern der Separatisten dringend nötig seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Poroschenko hatte erklärt, zum Schutz der Bevölkerung werde es keine Luftangriffe und keinen Artilleriebeschuss geben. Poroschenko sagte in dem Telefonat mit Merkel, die Überwachung der Grenzen zu Russland müsse sichergestellt werden.
Die OSZE berichtete, sie könne die Grenzabschnitte derzeit nicht kontrollieren, weil die Separatisten die Übergänge besetzt halten. Präsidentenberater Anton Geraschtschenko gab dazu eine völlig andere Einschätzung. Die Grenzen zu Russland seien „praktisch geschlossen“, sagte er der Nachrichtenagentur UNN.
Rebellen-Anführer: "Wir werden niemals aufgeben"
Wie weit die Hilfe aus Russland derzeit geht, ist tatsächlich unklar. Der Anführer „Neurusslands“, der frühere Parlamentarier Oleg Zarjow, sagte in einem Interview mit der BBC: „Ich kenne die Stimmung der Menschen hier, und die Stimmung ist für die Aufständischen. Wir werden nicht gehen und auch niemals aufgeben.“ Auch der Kommandeur der Rebellen, der russische Militärstratege Igor Girkin, der unter dem Kampfnamen Igor Strelkow (der Schütze) auftritt, sagte vor Journalisten in Donezk: „Unsere Kämpfer werden nicht aus Donezk abziehen“. Militärexperten erwarten, dass es in der Großstadt zu einem Häuserkampf kommt. Das will man auf Seiten der ukrainischen Armee mit allen Mitteln vermeiden.
Girkin gilt als rätselhafte Figur. Der magere Mann tritt stets in Kampfuniform auf, sein Markenzeichen ist ein schmaler Schnurrbart. Für wen der 43-jährige studierte Historiker tatsächlich arbeitet, ist nicht eindeutig zu sagen. Es gibt Quellen, die ihn als Oberst des russischen Geheimdienstes FSB führen, andere halten Girkin für einen Offizier des Militärnachrichtendienstes der Russischen Föderation. In den vergangenen zwei Jahrzehnten soll er in Transnistrien, Bosnien-Herzegowina, Abchasien, Tschetschenien und in Dagestan bei verschiedenen Operationen dabei gewesen sein.
Die EU verschärft die Sanktionen gegen Russland
Während der Proteste in Kiew im Winter soll Girkin die ukrainische Hauptstadt mehrfach besucht haben und Kirchenschätze nach Griechenland gebracht haben. Am 8. April ist er aus Rostow am Don in Südrussland per Fähre in die Ukraine eingereist. Vier Tage später besetzten seine Männer die Polizeistation in Slowjansk. Damit begann eine monatelange Geiselhaft der Stadt. Als das ukrainische Militär am vergangenen Wochenende die stark zerstörte Stadt zurückeroberte, befanden sich Girkin und sein Stab bereits in Donezk. Auf ihn ist ein Kopfgeld in Höhe von einer Million Dollar ausgesetzt worden.
Die EU verschärfte am Freitag offiziell ihre Sanktionen gegen Russland. Die EU-Staaten beschlossen Einreiseverbote und Kontensperrungen, die bisher für 61 russische und ukrainische Staatsbürger galten, gegen elf weitere Personen. In einer Mitteilung des Ministerrates heißt es, dies sei „angesichts des Ernstes der Lage in der Ostukraine“ geschehen. Die Sanktionen wurden mit „Handlungen zur Untergrabung der territorialen Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine“ begründet.
Nina Jeglinski