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Im Berliner Projekt Cucula bauen Flüchtlinge Möbel und lernen Deutsch. Auch andere Betriebe aus der Hauptstadt werden aktiv: „Arrivo“ heißt ihre Initiative, die Asylsuchenden Praktika und im Anschluss Ausbildungsplätze vermittelt.
© Promo (Cucula/Verena Brüning)

Arbeit für Flüchtlinge: Raus aus der Warteschleife

Sie haben eine Ausbildung oder sogar einen Uni-Abschluss. Doch in Deutschland zu arbeiten, ist für Flüchtlinge fast unmöglich.

Sie bauen Stühle, Truhen, Bänke. Jedes Möbelstück ist nicht nur ein Unikat, handgefertigt, sondern birgt eine tragische Geschichte in sich. Fünf Flüchtlinge aus Westafrika, aus Niger und Mali entwerfen, planen und fertigen die Möbel in einer Berliner Schreinerei. Weil Kriege, Dürren und Hunger ihnen in ihrer Heimat alle Perspektiven nahmen, wagten sie die gefährliche Flucht über das Mittelmeer. Ein Stück Holz der Boote, die sie von Afrika nach Europa brachten, ist in allen Möbeln verbaut.

Ihre Mitarbeit beim Berliner Projekt Cucula ist keine Selbstverständlichkeit. In Deutschland warten sie auf ihre Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung. Sie alle wollen bleiben und hier die Chance auf ein neues Leben ohne Angst vor der Zukunft bekommen. Bei Cucula erhalten sie nicht nur Anleitung, wie man Möbel baut, sondern sie lernen Deutsch und bekommen Hilfe für die Tücken des Alltags und Unterstützung für den Weg durch den Behördendschungel.

Denn ihre rechtliche Lage ist kompliziert. Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, muss sich durch eine Menge Papierkram und juristische Fallstricke kämpfen. Bürgerkriegsflüchtling? Politisch verfolgt? Wie lange gilt der Aufenthaltsstatus? Sind die Antragsteller erst mal geduldet oder kommt eine langfristige Bewilligung infrage?

Hinzu kommen Probleme bei der Jobsuche. Ohne Arbeitserlaubnis dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten und keine Ausbildung machen. Allerdings hat sich die Politik bereits zu ersten Verbesserungen durchgerungen. Seit Ende 2014 können Asylsuchende und Geduldete bereits nach drei Monaten arbeiten. Bisher mussten sie neun Monate und länger warten. Einzige Voraussetzung: Es darf keinen geeigneten Bewerber aus Deutschland oder dem EU-Ausland geben.

Die Regelungen für die Arbeitserlaubnis müssen gelockert werden

Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) kommt etwa jeder zweite Flüchtling mit einer beruflichen oder akademischen Ausbildung nach Deutschland. In den Jobcentern und Arbeitsagenturen werden nach BA-Angaben derzeit 360 000 Asylbewerber und Flüchtlinge betreut, 50 000 mehr als im Vorjahr. Die Behörde klagte bereits über Engpässe bei den Deutschkursen und der Vermittlung von Flüchtlingen an Betriebe. Aus der Wirtschaft werden längst Forderungen an die Politik laut, endlich einzugreifen.

Unternehmen lassen sich häufig nicht darauf ein, Asylbewerber oder Geduldete anzustellen oder auszubilden. Zu groß ist die Sorge, dass sie zurück in ihre Heimat müssen, weil der Antrag nicht bewilligt wird. Die Industrie- und Handelskammern und die Handwerksinnungen hatten sich mehrfach für ein gesichertes Bleiberecht ausgesprochen. Dieses müsste wenigstens während der Lehrzeit und für zwei Jahre danach gelten. Auch Konzerne wie der Autobauer Daimler fordern, die Regelungen für die Arbeitserlaubnis deutlich zu lockern. Qualifizierte Asylsuchende würden die Schwaben am liebsten nach einem Monat Aufenthalt einstellen.

In Berlin haben sich Betriebe und die Senatsverwaltung zusammengeschlossen und die Initiative Arrivo gestartet. 15 Flüchtlinge mit einer Arbeitserlaubnis konnten mit ihrer Hilfe Praktika bei Metallbauern, Dachdeckern, Installateuren, Malern oder Lackierern machen. „Bei den meisten sieht es sehr gut aus, dass sie schon in diesem Herbst eine Ausbildung in den Betrieben starten können“, sagt Anton Schünemann, Projektleiter bei Arrivo.

Er hofft, dass die Initiative im Herbst nicht nur weitergeführt, sondern auf 100 Plätze aufgestockt wird. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind hochmotiviert und bringen meist gute Qualifikationen mit“, sagt Schünemann. Die Betriebe bräuchten dringend rechtliche Klarheit und die Zusage, dass die Flüchtlinge auch langfristig eingesetzt werden können.

Flüchtlinge sollen es leichter bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse haben

Ein Problem ist bei vielen die Sprache. Ohne Deutschkenntnisse bleibt etlichen Asylbewerbern trotz guter Qualifikationen der Zugang zum Jobmarkt verwehrt. Die Grünen fordern seit Langem, dass Flüchtlinge bereits während der Beantragung und Prüfung der Asylanträge Anspruch auf Integrations- und Sprachkurse haben. „Selbst wenn der Antrag dann nicht genehmigt wird und die Menschen zurück in ihre Heimat gehen, ist der Erwerb der deutschen Sprache prinzipiell gut für sie und unser Land“, sagt Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Seine Fraktion spricht sich für ein Sofortprogramm aus, um Flüchtlinge schnell in Arbeit und Ausbildung zu bringen.

Die Bundesregierung soll nicht nur mehr Geld für Sprachkurse bereitstellen, sondern sich auch um die schnellere Anerkennung der beruflichen Qualifikationen kümmern. Die Krankenschwester, die in Somalia in einer Klinik gearbeitet hat, oder der Kfz-Mechaniker, der in Syrien Autos reparierte, brauchen Papiere, die ein deutscher Arbeitgeber anerkennen kann. Auch die SPD macht Druck. Unlängst hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) gefordert, Flüchtlinge müssten sofort nach ihrer Ankunft arbeiten dürfen. Schließlich bringe das nicht nur die Flüchtlinge voran, sondern auch das Gemeinwohl, betont Albig. Auch sein Appell an den Bund ist damit eindeutig.

In diesem Jahr wird die Zahl der Asylbewerber in Deutschland erneut steigen. Viel Zeit für lange Verhandlungen bleibt der Politik nicht. Für die Flüchtlinge ihres Projekts hat Cucula die Finanzierung von Ausbildungsplätzen selbst in die Hand genommen. Mit dem Verkauf der Möbel und durch Spenden bezahlen sie den Weg ihrer Schützlinge in ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland.

Ein Workshop zum Thema „Teilhabe von Flüchtlingen an Arbeit“ findet auf dem Fürsorgetag am 17. Juni von 11.30 bis 13.30 Uhr statt.

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