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Bodo Ramelow und Christine Lieberknecht im Jahr 2014
© Hendrik Schmidt/dpa

Pfiffiger als AKK, professioneller als Lindner: Ramelows Vorstoß ist raffiniert – und riskant

Wird Thüringens CDU die eigene Parteifreundin Lieberknecht als Ministerpräsidentin verhindern? Ramelows Plan ist sehr schlau, birgt aber Risiken. Ein Kommentar.

Es ist ein ungewöhnlicher Schachzug für Thüringen. Aber es ist noch zu früh, um zu sagen, ob er genial ist oder verrückt. Mit Christine Lieberknecht soll eine CDU-Politikerin wieder ins Amt der Ministerpräsidentin, die dieses schon mal hatte. Nur diesmal nur übergangsweise, für 70 Tage. Und nun, das macht die Sache pikant, von Gnaden der Linkspartei.

So jedenfalls will es Bodo Ramelow, der mit diesem Vorschlag am Montagabend viele in Erfurt überrumpelte, die in einer Vier-Parteien-Runde aus CDU, Linkspartei, SPD und Grünen verhandelten. Auch und vor allem die CDU war verblüfft.

Ramelows Verzicht auf eine Ministerpräsidenten-Kandidatur wirkt auf den ersten Blick: staatsmännisch. Und es ist ja auch gewaltiger Schaden wettzumachen, nachdem am 5. Februar mit dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich ein Ministerpräsident von Gnaden der AfD ins Amt kam. Die Schockwellen waren gewaltig, der Rest ist bekannt.

Für die CDU ist der Reiz an Ramelows Lieberknecht-Initiative überschaubar. Vorgezogene Neuwahlen in Thüringen will sie nicht. Die Partei hatte bereits bei der Wahl vom 27. Oktober einen mächtigen Dämpfer erlitten. Nach der skandalösen Kemmerich-Wahl könnte sie nun weiter einbrechen. Und Rot-Rot-Grün könnte derweil die absolute Mehrheit zurückgewinnen.

CDU in Thüringen: Mit der Äquidistanz zu Linken und AfD wäre es dahin

Und sich dann noch von der Linken empfehlen lassen, wer regieren soll? Mit der Äquidistanz, die qua CDU-Parteitagsbeschluss vom Dezember 2018 sowohl zur AfD als auch zur Linkspartei zu gelten hat, wäre es dahin. Auch im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin dürfte das mulmige Gefühle auslösen.

Noch hängt die CDU an der Rote-Socken-Kampagne, die der damalige Generalsekretär Peter Hintze 1994 gegen PDS und SPD startete. Und das, obwohl die nun schon deutlich älter ist als der Witz mit Bernd Höcke, der schon lange durch ist.

Andererseits: Kann die thüringische CDU jetzt wirklich den Vorschlag ablehnen, eine integre und versierte und beliebte Christdemokratin – und das ist Lieberknecht – um Hilfe bei der Suche nach einem Weg aus der Regierungskrise zu bitten? Die Suche nach einer Begründung dafür wird nicht leicht.

Ramelows Vorschlag ist pfiffiger als der von Annegret Kramp-Karrenbauer, die SPD und Grüne um Vorschläge für einen Übergangs-Ministerpräsidenten bat. Er ist auch professioneller als der von Christian Lindner, der den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs ins Gespräch brachte, ohne den vorher gefragt zu haben.

Und ihm haftet auch nicht der Makel der Idee von Michael Kretschmer aus dem Nachbar-Bundesland Sachsen an. Der hatte eine „Expertenregierung“ für Thüringen mit einer „neutralen Persönlichkeit“ an der Spitze vorgeschlagen – und missachtet, dass das Stichwort „Expertenregierung“ zunächst von der Höcke-AfD kam.

Lieberknecht würde wohl gern

Lieberknecht würde Thüringen den Dienst sicher gern erweisen, aus Sorge um ihr Bundesland und Angst vor Weimarer Verhältnissen. Wenn die CDU Thüringen das jetzt abweist, setzt sie sich dem Verdacht aus, die Hintertür für eine Zusammenarbeit mit der AfD offenhalten zu wollen.

Das Problem der Landes-CDU: Gar nicht so wenige wollen Gespräche auch mit der AfD, und sehen da auch mehr inhaltliche Nähe. Klare Kante nach rechts hat übrigens unter anderem Christian Hirte vermissen lassen, der abgesetzte Ost-Beauftragte der Bundesregierung. Er schickt schickt sich gerade an, den Vorsitz des thüringischen CDU-Landesverbandes als Nachfolger von Mike Mohring zu übernehmen.

Neuer Weg, Umweg oder Sackgasse?

Ramelow hatte nach der Wahl angekündigt, er wolle mit einer Minderheitsregierung, die sich eng abstimmt mit der „demokratischen Opposition“ aus CDU und FDP, „neue Wege“ gehen. Das ist gescheitert.

Jetzt versucht er die Macht auf einem Umweg zurückzuerobern. „Ich bin einfach ich“, kokettiert er – und in seinem Twitter-Profil stellt er sich vor als „Mensch“. So will er sich auch vom SED-Erbe seiner Partei lossagen, und den Dauer-Scharmützeln in der Linken im Bund erst recht.

Ramelows bleibt aber eben auch Linken-Politiker. Und dass so einer Ministerpräsident ist, ist in Deutschland für viele vor allem im Westen noch immer nicht normal. Neuer Weg, Umweg? Eine Gefahr besteht dennoch: Ramelows Idee könnte auch in eine neue Sackgasse führen. Es hängt von der CDU ab. Die spielte am Dienstag einmal auf Zeit: Neuwahlen frühestens im Herbst. Die Frage ist, ob das wiederum Ramelow und seine Partner mitmachen.

Matthias Meisner

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