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Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow.
© imago images/Jacob Schröter
Update

Vorstoß für Thüringen von Ramelow: „Befreiungsschlag“, „Überraschung“, „Respekt“

Bodo Ramelow schlägt eine Übergangsregierung für Thüringen vor. Grüne und SPD zeigen sich offen, die CDU berät sich.

Nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl steckt Thüringen in einer politischen Krise. Wie kann eine Regierung ins Amt kommen, ohne von AfD-Stimmen abhängig zu sein? Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow macht einen ungewöhnlichen Vorschlag: Eine „technische Regierung“ unter seiner Vorgängerin Christine Lieberknecht von der CDU soll Neuwahlen vorbereiten.

Ramelow schlug vor, Lieberknecht zu bitten, für die Phase von etwa 70 Tagen bis zu Neuwahlen mit „einem Justizminister, mit einer Finanzministerin und einem Chef der Staatskanzlei“ die wichtigsten Aufgaben in Thüringen zu lösen, wie er sagte. Ramelow selbst würde in diesem Fall nicht als Übergangs-Regierungschef kandidieren.

Lösungsvorschlag für Thüringen-Krise: Zuspruch aus der SPD

Thüringens SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee fand Gefallen an der Idee. „Das ist ein sehr guter Vorschlag“, sagte Tiefensee nach einem Treffen von Spitzenpolitikern von Linke, CDU, SPD und Grünen am Montag in Erfurt.

„Hoher Respekt für Bodo Ramelow, dass er sich selbst zurückzieht, den Weg frei macht für eine technische Regierung, die wenige Tage - 70, 80 Tage - von der Antragsstellung bis zur Neuwahl die Regierungsgeschäfte übernimmt“, sagte Tiefensee. Am Dienstag ergänzte Tiefensee auf Bayern2, dass er mit einem Gegenvorschlag der CDU rechne. Er erwarte, dass die CDU „heute mit einem ganz konkreten Fahrplan kommt und einen anderen Vorschlag dagegen setzt“.

Thüringens FDP reagierte ablehnend. Die Partei twitterte, Ramelows Vorschlag „sehen wir als weiteres taktisches Manöver zulasten der Demokratie“.

Ramelows Thüringen-Vorstoß: CDU skeptisch

Die Verhandlungsgruppe der Thüringer CDU-Fraktion reagierte verhalten. „Wir glauben, dass das Wichtigste ist, dass am Ende eines Prozesses nicht die AfD stärker werden kann, als sie jetzt schon ist“, sagte Thüringens CDU-Vizechef Mario Voigt. Die CDU hatte bereits im Vorfeld signalisiert, dass sie kein Interesse an Neuwahlen hat. Hintergrund dürfte auch sein, dass sie in jüngsten Umfragen in der Wählergunst stark eingebüßt hat.

Nun will sie über Ramelows Vorschlag in ihren Gremien reden, kündigte Voigt an. Laut MDR will die Partei ab 9 Uhr beraten. Lieberknecht selbst sagte dem Sender, dass sie sich erst nach dem Treffen der Fraktion äußern wolle.

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Die Christdemokraten hatten es bislang abgelehnt, Ramelow aktiv in das Amt des Regierungschefs mitzuwählen. Den Christdemokraten verbietet ein Bundesparteitagsbeschluss jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD und den Linken.

Die ersten CDU-Politiker zeigten sich offen für den Ramelow-Vorstoß. CDU-Präsidiumsmitglied Annette Widmann-Mauz forderte im RBB-Inforadio, den Vorschlag ernsthaft zu prüfen. „Ich glaube, es ist klug, wenn man sich rückversichert, wenn man darüber berät.“ Thüringens CDU müsse das beraten, Berlin dürfe da nicht vorgreifen. „Aber wenn es eine Möglichkeit ist, Thüringen wieder zu stabilen Verhältnissen zu verhelfen, dann ist es zumindest ein Vorschlag, über den man sehr ernsthaft diskutieren muss.“

Der frühere Generalsekretär der Partei, Ruprecht Polenz, richtete sich jene CDU-Politiker, die sich einer Wahl von Ramelow entgegengestellt hatten: „Ich hoffe, sie kritisieren jetzt nicht auch, dass eine MP-Kandidatin der CDU nur mit den Stimmen der Linkspartei ins Amt kommt – wenn es so kommen sollte“, twitterte er.

Auch die Grünen reagierten sich zunächst nicht begeistert auf Ramelows Vorstoß. Man präferiere weiterhin die Variante, „dass schnell eine handlungsfähige Regierung unter Bodo Ramelow hergestellt wird“, sagte Landessprecherin Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt.

Auf dem Twitter-Kanal der Grünen-Landtagsfraktion in Thüringen hieß es dagegen: „Respekt und Überraschung zum Vorschlag von Bodo Ramelow.“ Am Dienstagmorgen sagte dann Thüringens Grünen-Fraktionschef dem MDR, dass er den Ramelow-Vorstoß unterstütze: "Ein Vorschlag, der uns aus der Regierungskrise herausführen kann."

Auch von der Bundespartei kam Lob: Grünen-Chefin Annalena Baerbock schrieb auf Twitter: „Respekt. So geht verantwortungsvolles Handeln im Sinne der Demokratie, liebe CDU.“

Linke, CDU, SPD und Grüne sprechen an diesem Dienstag (13.30 Uhr) erneut über Ramelows Vorstoß. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach schrieb auf Twitter, Ramelow mache den Weg frei für einen „Befreiungsschlag“ in Thüringen. „Jetzt sollte es nach einer Übergangszeit Neuwahlen geben, so dass klare politische Verhältnisse entstehen. Die CDU darf nicht länger die Regierungsbildung oder Neuwahlen blockieren.“ (dpa, Tsp)

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