Berlins SPD-Fraktionschef zur Islam-Debatte: Raed Saleh wirbt für neue deutsche Leitkultur
Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh fordert in seinem Buch "Ich deutsch" einen anderen Umgang mit dem Islam und einen multireligiösen, aufgeklärten Patriotismus.
Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh plädiert dafür, in Deutschland ein modernes Islamverständnis zu etablieren. „Für mich gehört dies zu den dringlichsten Aufgaben in unserem Land, einen europäischen aufgeklärten Islam zu schaffen“, schreibt der Politiker in seinem kommende Woche erscheinenden Buch „Ich deutsch“, aus dem der Tagesspiegel heute Auszüge abdruckt. „In Europa haben wir die Möglichkeit, dass sich diese bedeutende Weltreligion neu ausrichtet.“
Einerseits müssten Muslime in Deutschland die Möglichkeit haben, „sich frei entfalten zu können“. Nur so sei gewährleistet, dass sie eine eigene „deutsche Variante“ des Islam entwickelten. Andererseits müssten hier lebende Muslime andere Glaubensrichtungen und den Wert von Religionsfreiheit akzeptieren, ebenso Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, Frauenrechte und die Rechte von Minderheiten.
Gebot der Nächstenliebe
„Ich möchte nicht, dass meine Kinder – sollten sie sich irgendwann einmal für ihre Religion interessieren – von ,importierten’ Imamen unterrichtet werden“, schreibt Saleh, der selbst bekennender Muslim ist und als Kind aus dem Westjordanland mit seiner Familie nach Berlin kam. „Ich möchte, dass deutsche Imame, also hier sozialisierte Geistliche, die unsere Werte und Traditionen kennen und teilen, den jungen muslimischen Deutschen die Regeln ihrer Religion nahebringen.“ Weltoffene Imame seien das beste Mittel gegen Fanatismus. „Wer unsere Überzeugungen und Ideale begreift und teilt, wird sie dann auch verteidigen. Hass muss man mit Liebe begegnen.“
In seinem Buch arbeitet Saleh einige der aus seiner Sicht zentralen gemeinsamen Grundlagen der Weltreligionen heraus, die er als die „Goldene Regel“ bezeichnet. „Es sind im Prinzip immer neue Varianten des Gebots aus der Thora: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘“
Zwischen den Identitäten
Saleh wirbt zudem für ein neues Verständnis von Patriotismus. „Mein Patriotismus ist bunt, nicht ethnisch homogen, einladend und nicht ausgrenzend, mutmachend und nicht angsteinflößend – er ist multireligiös und aufgeklärt“, schreibt Saleh. Diese Art von Patriotismus habe „nichts mit dem Nörgeln, Ausgrenzen und Angstmachen der Nationalisten zu tun, die wir seit einiger Zeit in Dresden erleben“, das seien „falsche Patrioten“.
Der SPD-Politiker fordert, sich bewusster für diese „emotionale, sinnliche Seite der neuen deutschen Leitkultur“ stark zu machen – auch, um hier lebenden Menschen aus Einwandererfamilien Zugehörigkeit zu vermitteln. „Momentan erleben wir, wie unsere türkischstämmigen Mitbürger zwischen ihren beiden Identitäten hin- und hergerissen sind.“ Das hänge auch „mit der bisherigen schwachen Bindung an unsere Leitkultur zusammen“. Hier müsse man ansetzen: „Ein gesunder Patriotismus kann dazu beitragen, dass die Menschen sich angenommen, akzeptiert und heimisch fühlen.“
Einen Auszug aus Raed Salehs Buch "Ich deutsch" lesen Sie heute auf den Seiten 18 und 19 im gedruckten Tagesspiegel.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.