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Raed Saleh beim Landesparteitag der Berliner SPD im November 2017.
© imago/Jens Jeske

Nach Groko-Entscheidung der SPD: Raed Saleh: "Rot-Rot-Grün als Option aufbauen"

Die SPD stimmt mit 66 Prozent für eine große Koalition. Ein Drittel ist dagegen. Was folgt daraus für die Partei? Ein Interview mit Berlins Fraktionschef Raed Saleh.

Von Antje Sirleschtov

Herr Saleh, Sie waren gegen eine Groko-Beteiligung. Die SPD-Mitglieder sind Ihnen nicht gefolgt. Sind Sie nun enttäuscht?

Nein. Es war gut, dass die Sozialdemokraten diese Entscheidung so intensiv diskutiert haben. Ich habe schon 2013 vor einem Gang in die große Koalition gewarnt, weil ich die Gefahr einer Verzwergung der SPD sehe. Natürlich ist das Ergebnis der Mitgliederbefragung kein Grund zum Jubeln. Aber es ist ganz eindeutig und damit zu respektieren. Auch für mich. Die große Mehrheit der Sozialdemokraten hat sich für einen erneuten Gang in die Groko ausgesprochen.

Ein Drittel der Mitglieder der SPD hat mit Nein gestimmt. Ist die Partei gespalten?

Das Ergebnis der Abstimmung ist nicht, dass 66 Prozent der SPD-Mitglieder jubelnd in die große Koalition gehen. Für viele wogen Vernunftsargumente schwer und sie haben mit „Ja“ gestimmt. Die Aufgabe der Parteiführung – und ich meine damit alle, die darin Verantwortung tragen – ist es nun, die Partei zusanmmenzuführen und die Groko-Gegner miteinzubinden. Das heißt in erster Linie: Es muss erkennbar werden, dass die Inhalte des Koalitionsvertrages, für die sich die SPD eingesetzt hat, mit Nachdruck umgesetzt werden, damit das Leben der Menschen in Deutschland besser wird.

Wie soll der angekündigte Erneuerungsprozess der Partei aussehen?

Zunächst einmal heißt das, in der Regierung eine gewissenhafte und verlässliche Arbeit zu leisten. Das ist ein Gebot der Professionalität. Allerdings darf die SPD hier nicht stehen bleiben und es sich in der Koalition bequem machen. Unser Anspruch kann es nicht sein, dass 20,5 Prozent der deutschen Wähler oder sogar noch weniger die SPD wählen. Wir sind eine Volkspartei und müssen mit unserer Politik dokumentieren, dass wir das Land wieder regieren wollen. Dazu braucht die SPD eine klare progressive Option. Und die kann nur heißen: Regieren in einem rot-grünen oder rot-rot-grünen Bündnis.

Diese Optionen aufzubauen, damit muss jetzt – parallel zur Regierungsarbeit – begonnen werden, damit die Sozialdemokratie perspektivisch zu alter Stärke zurückfindet. Dafür tragen alle in der Partei gemeinsam große Verantwortung, insbesondere die engere Parteiführung. Die nächsten Monate und Jahre werden für uns hart, sehr hart werden. Denn Glaubwürdigkeit bekommt man nicht geschenkt. Wir haben sie bei vielen Menschen verloren und müssen nun alles daransetzen, sie zurückzugewinnen.

Wie?

Wir müssen die Probleme in unserer Gesellschaft analysieren und klare Lösungen finden, auch radikale. Beim Thema Mieten etwa. Jeder weiß, dass die Steigerung der Mieten in den Ballungszentren beendet werden muss. Eine progressive Lösung könnte in einem bundesweiten Mietmoratorium für die betroffenen Städte liegen. Wer Rot-Rot-Grün perspektivisch will, muss jetzt auch klar sagen: Wir wollen kein Weltmeister als Waffenexporteur mehr sein, sondern Vorreiter bei der Suche nach den besten Lösungen für die Probleme der Welt. Dazu gehört auch, die Entwicklungshilfe komplett auf neue Beine zu stellen.

Ist Andrea Nahles die Richtige, um die Partei zu erneuern und als Fraktionschefin den Koalitionsvertrag umzusetzen?

Andrea Nahles ist eine starke Persönlichkeit und ein Gewinn für die Sozialdemokratie. Sie wird beide Aufgaben sehr gut bewältigen können, davon bin ich überzeugt.

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