„Alle gesetzten Aufgaben erfolgreich gelöst“: Putin verkündet militärischen Erfolg – und wirft der Ukraine „Geiselnahme“ vor
Im Staatsfernsehen zeigte sich Russlands Präsident zufrieden mit dem Einmarsch. Sein Außenminister Lawrow wirft dem Westen „Hysterie“ vor.
Eine Woche nach dem russischen Einmarsch ins Nachbarland Ukraine hat sich Kremlchef Wladimir Putin demonstrativ mit dem Einsatz zufrieden gezeigt. „Ich möchte sagen, dass die militärische Spezial-Operation streng nach Zeitplan und nach Plan verläuft“, sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am Donnerstag, deren Beginn im Staatsfernsehen gezeigt wurde. „Alle gesetzten Aufgaben werden erfolgreich gelöst.“
Putin sprach den Angehörigen der in der Ukraine getöteten russischen Soldaten sein Beileid aus und legte eine Schweigeminute ein. Am Mittwoch hatte das Verteidigungsministerium in Moskau mitgeteilt, dass 498 Russen getötet worden seien.
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Die Familien der getöteten Soldaten erhielten jeweils rund 12,4 Millionen Rubel (rund 105 000 Euro), sagte Putin. Auch Verwundete sollten Entschädigungszahlungen erhalten.
Der Kremlchef sprach zum wiederholten Mal von „ukrainischen Neonazis“ und warf ihnen vor, Tausende Ausländer als „Geiseln“ genommen zu haben, darunter ausländische Studenten. Russland versuche, zivile Opfer zu vermeiden, sagte Putin. In allen Gebieten, in denen gekämpft werde, hätten russische Soldaten Fluchtkorridore eingerichtet, damit Zivilisten in Sicherheit gebracht werden könnten. Ukrainische Kräfte blockierten diese aber.
Einmal mehr bekannte Putin zudem: „Ich werde niemals meine Überzeugung aufgeben, dass Russen und Ukrainer ein Volk sind.“
In einem Telefonat mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron hatte der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine am Nachmittag mit weiteren russischen Forderungen gedroht. Zuvorderst gehe es um die Demilitarisierung der Ukraine und deren neutralen Status, hatte der Kreml am Donnerstag bekräftigt.
Putin habe betont, dass die Ziele der militärischen „Spezial-Operation“, wie Russland den Krieg bezeichnet, in jedem Fall erreicht werden. „Versuche, Zeit zu gewinnen, indem die Verhandlungen in die Länge gezogen werden, führen nur zu zusätzlichen Forderungen an Kiew in unserer Verhandlungsposition“, habe Putin dem Kreml zufolge gesagt.
Putin habe Macrons Ansprache an die Nation und dessen Kernaussagen kritisiert, hatte es weiter geheißen. So habe Macron gesagt, Russlands Begründung, in der Ukraine gegen Nationalsozialisten zu kämpfen, sei eine Lüge. Dies habe Putin zurückgewiesen und dem französischen Präsidenten „begründete Erklärungen zur bedeutenden Rolle der Neonazis in der Politik Kiews“ geliefert, hatte der Kreml mitgeteilt.
Zudem habe Putin kritisiert, dass die Ukraine jahrelang gegen die Vereinbarungen des Friedensplanes von Minsk verstoßen und der Westen nichts dagegen unternommen habe. „Der langjährige Völkermord an der Zivilbevölkerung im Donbass, der zu zahlreichen Opfern geführt und Hunderttausende Menschen gezwungen hat, in Russland Asyl zu suchen, wird totgeschwiegen“, hatte der Kreml den russischen Präsidenten zitiert.
Aus dem Élyséepalast hieß es dazu, die Initiative für das Telefonat sei von Putin ausgegangen. Macron habe dem Kremlchef klargemacht, dass er sich mit seiner Darstellung der Dinge selber belüge. Er habe Putin gesagt, dass ein anderer Weg in dem Konflikt möglich sei, wenn er sich umentscheide. Macron zeigte sich nach dem Treffen ernüchtert. Das Schlimmste stehe noch bevor, wird er zitiert.
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Die Bedingungen Russlands seien inakzeptabel und über den Status der Ukraine könne nicht Russland bestimmen sondern nur international verhandelt werden. Macron habe sich besorgt über die zivilen Folgen der Angriffe gezeigt und auf humanitäre Korridore gedrungen.
Im Anschluss telefonierte Macron mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieser habe betont, dass die Ukraine sich nicht ergibt, mit der Pistole an der Schläfe verhandele man nicht, sagte er laut Élyséepalast. Grundsätzlich sei er allerdings zur Diplomatie bereit, zeigte sich aber besorgt über die zivilen Opfer des Angriffs.
Nach Einschätzung des Élyséepalasts ist es Putins klares Ziel, die gesamte Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen. Trotz Widerständen und Hindernissen werde er sich kaum davon abbringen lassen, seinen Plan bis zum Ende zu verfolgen. Dennoch habe man Hinweise, dass die verhängten EU-Sanktionen Wirkung zeigten, hieß es in Paris. Die Sanktionen werde man weiter verstärken und vervollständigen.
Russland hatte außerdem dem Westen angesichts von Warnungen vor einem Atomkrieg Panikmache vorgeworfen. „Alle wissen, dass ein Dritter Weltkrieg nur ein nuklearer sein kann“, hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag gesagt. Diese Frage stelle sich aber nur in den Köpfen westlicher Politiker und nicht in denen der Russen.
„Ich versichere Ihnen, dass wir keine Provokationen zulassen werden, die uns das Gleichgewicht verlieren lassen“, hatte Lawrow in einem vom Staatsfernsehen übertragenen Gespräch mit russischen und internationalen Medien gesagt. „Aber wenn (der Westen) anfängt, einen echten Krieg gegen uns zu entfesseln, sollten diejenigen, die solche Pläne aushecken, darüber nachdenken, und sie denken meiner Ansicht darüber nach.“
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte angeordnet, die Abschreckungswaffen der Atommacht in erhöhte Alarmbereitschaft zu setzen. Dazu gehören auch Atomwaffen.
Lawrow hatte betont: „Wir haben eine Militärdoktrin, die die Parameter und Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen beschreibt.“ Eine „Eskalation um der Deeskalation willen“ werde es nicht geben, hatte er gesagt. „Aber das Gespräch über einen Atomkrieg ist jetzt im Gange.“ Das liege allein am Westen. Er warf westlichen Staaten auch „Hysterie“ vor. Der Minister hatte vor allem die USA scharf kritisiert. „Die folgenden Vergleiche drängen sich für mich auf: Sowohl Napoleon als auch Hitler wollten einst Europa unterjochen. Jetzt haben die Amerikaner es unterjocht“, hatte Lawrow gesagt.
Trotz der wachsenden Spannungen hatte Lawrow die Bereitschaft seines Landes zum Dialog betont. „Ich bin überzeugt, dass diese Hysterie vergeht“, hatte Lawrow gesagt. Er meinte wohl auch mit Blick auf die Sanktionen gegen Russland im Krieg gegen die Ukraine, „unsere westlichen Partner stoßen sich die Hörner ab“. Es werde wie in einem „Film aus Hollywood“ so getan, als gebe es das „absolute Böse“ und das „absolute Gute“.
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„Wir sind immer bereit zum Dialog“, hatte Lawrow betont. Bedingung sei allerdings, dass auf Grundlage der Gleichberechtigung und der Wertschätzung gegenseitiger Interessen gesprochen werde. In einer möglichen Friedensvereinbarung mit der Ukraine müsse jedoch auch der Punkt der Entmilitarisierung des Landes enthalten sein.
„Wir können uns nicht erlauben, in der Ukraine eine Infrastruktur zu haben, die die Sicherheit der Russischen Föderation bedroht. Die Demilitarisierung wird bis zum Ende geführt - im Sinne der Vernichtung der uns bedrohenden Infrastruktur und Waffen“, hatte Russlands Chefdiplomat gesagt. Selbst angeboten hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen neutralen Status des Landes, nachdem er jahrelang auf einer Mitgliedschaft in der Nato bestanden hatte.
Ukrainisches Volk solle selbst entscheiden, wie es künftig leben wolle
Weiter hatte der russische Außenminister bekräftigt, dass sein Land nach der militärischen „Spezial-Operation“ kein Besatzungsregime in der ukrainischen Hauptstadt Kiew plane. Das ukrainische Volk solle selbst darüber entscheiden, wie es künftig leben wolle, sagte Lawrow am Donnerstag bei einem Interview mit Journalisten. An diesem Prozess sollten alle in dem Land lebenden Nationalitäten beteiligt sein.
Die größte Minderheit in der Ukraine sind Russen. Darüber hinaus gibt es beispielsweise auch eine ungarische, bulgarische und rumänische Minderheit.
Moskau wirft der ukrainischen Führung in Kiew eine antirussische Politik vor. Die „Operation“ in der Ukraine läuft nach den Worten Lawrows, um das Land zu entmilitarisieren.
Lawrow hatte unterstrichen, dass der russische Präsident Wladimir Putin am vergangenen Donnerstag erklärt habe, dass keine Okkupation der Ukraine geplant sei. „Die Grundlage unserer Politik ist die Freiheit, die Freiheit der Wahl für alle, selbst ihre Zukunft zu bestimmen und die Zukunft ihrer Kinder“, sagte Putin zum Beginn der Operation in der Ukraine. „Wir halten es für wichtig, dass dieses Recht, das Recht der Wahl, alle Völker nutzen, die auf dem Gebiet der heutigen Ukraine leben.“ (Tsp, dpa, Reuters, AFP)