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Der russische Präsident Wladimir Putin (r) und Ministerpräsident Dmitri Medwedew.
© dpa/Alexei Nikolsky/Sputnik/Kremlin Pool/AP
Update

Russische Regierung tritt zurück: Putin schlägt Chef der Steuerbehörde als neuen Regierungschef vor

Russlands Ministerpräsident Dimitri Medwedew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger soll Mikhail Mishustin werden.

Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew hat laut Berichten der russischen Staatsagentur Tass den Rücktritt der gesamten Regierung angekündigt. Er wolle Präsident Wladimir Putin damit die Möglichkeit geben, die nötigen Veränderungen im Land anzustoßen, teilte Medwedew demnach mit. Als Nachfolger schlägt Putin Mikhail Mishustin, Chef der Steuerbehörde vor.

Kremlchef Wladimir Putin dankte der Regierung für ihre Arbeit. Es könne aber nicht alles gelingen, sagte er nach einem Vier-Augen-Gespräch. Die Regierung stand wegen der Wirtschaftskrise im Land unter großem Druck. Putin hatte erst kurz zuvor mehr Hilfen für einkommensschwache Familien versprochen. Die nächste Parlamentswahl war für Herbst 2021 geplant.

Medwedew soll nach Angaben Putins nun Chef des Sicherheitsrates werden. „Ich halte es für möglich und bat ihn, sich in Zukunft mit Fragen dieser Kategorie zu befassen.“

Als neuen Ministerpräsidenten schlug der Kremlchef den Leiter der russischen Steuerbehörde, Michail Mischustin, vor. Das kündigte der Kreml nach Angaben der Staatsagentur Tass am Mittwoch an. Der 53 Jahre alte Wirtschaftsexperte aus Moskau steht seit 2010 an der Spitze der Behörde. Das Parlament muss den Wunschkandidaten von Putin noch bestätigen. Das gilt jedoch unter Beobachtern als Formsache.

Kommentatoren gehen davon aus, dass Mischustin als eine Art Übergangspremier arbeiten wird. Politisch ist er bislang kaum in Erscheinung getreten.

Putin hatte am Vormittag in seiner Rede zur Lage der Nation Verfassungsänderungen vorgeschlagen und unter anderem angekündigt, dem Parlament mehr Macht einräumen zu wollen. So sollen die Abgeordneten unter anderem künftig den Ministerpräsidenten bestimmen. Zudem sollten die Kriterien für Präsidentschaftskandidaten verschärft werden. An dem starken Präsidialsystem wolle er aber festhalten. Dazu schlug er ein Verfassungsreferendum vor.

Kritiker werfen Putin vor, bereits an seinem Machterhalt über das Jahr 2024 hinaus zu arbeiten, in dem seine Amtszeit als Präsident endet und er gemäß der Verfassung abtreten muss. Putins Amtszeit läuft 2024 ab. Die Verfassung schreibt vor, dass der Präsident nur zweimal hintereinander amtieren darf.

Der Chef der russischen Steuerbehörde Mikhail Mishustin.
Der Chef der russischen Steuerbehörde Mikhail Mishustin.
© AFP

Spekuliert wurde neben einer Verfassungsänderung für eine erneute Kandidatur auch darüber, dass Putin dem Parlament mehr Macht verleihen und als Ministerpräsident mit größeren Befugnissen weiter regieren könnte.

Medwedew ist in Russland sehr unbeliebt

Für die russische Zeitung „Novaya Gazeta“ wirkt der Rücktritt genau geplant. "Der Rücktritt der Regierung könnte mit der Rede zur Lage der Nation abgestimmt sein und vorher geplant worden sein. Die russische Regierung ist heute ein Klub der Technokraten, die Anweisungen ausführen, die sie aus dem Kreml bekommen."

Dass Medwedew nicht überrascht wurde, glaubt nicht nur die „Novaya Gazeta“. Aktuell macht ein Zitat des ehemaligen russischen Premiers die Runde, das er in seiner Ansprache zum orthodoxen Neujahr Anfang der Woche verwendete:

Am Abend meldeten noch mehrere Journalisten auf Twitter, dass Tschetscheniens Präsident Ramzan Kadyrov sein Amt übergangsweise abgegeben habe. Er sei momentan „handlungsunfähig“. Tschetschenien ist eine autonome Republik Russlands. Ein Zusammenhang zum Rücktritt der russischen Regierung scheint allerdings nicht zu bestehen.

Der 54 Jahre alte, nun zurückgetretene, Medwedew war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands. Danach übernahm der Jurist von Putin den Posten des Regierungschefs. Zudem ist er Vorsitzender der Kremlpartei Geeintes Russland.

Medwedew ist in Russland sehr unbeliebt. Seit 2017 gibt es immer wieder Proteste der Opposition, die sich besonders gegen seine Person richten. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte mit Recherchen Korruption und Geldanhäufung des Politikers aufgedeckt und die Proteste angestoßen. (Tsp, AFP, dpa, Reuters)

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