zum Hauptinhalt
Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont
© dpa/Olivier Matthys
Update

Haftverschonung für Katalanen: Puigdemont kommt frei – darf Deutschland aber nicht verlassen

Am Freitag könnte der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont das Gefängnis verlassen. Er muss sich aber an fünf Auflagen halten.

Der katalanische Separatistenchef Carles Puigdemont kann die Entscheidung über das Auslieferungsgesuch der spanischen Justiz in Freiheit abwarten. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) setzte den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls unter Auflagen aus. Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört unter anderem die Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000 Euro. Zudem darf Puigdemont die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen und muss jeden Wechsel des Aufenthalts mitteilen, wie der stellvertretende Gerichtssprecher Jens Bahr am Donnerstagabend sagte. Außerdem muss sich Puigdemont einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden. Und er hat Ladungen des Generalstaatsanwalts und des Oberlandesgerichts Folge zu leisten.

Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung feierte die angeordnete Freilassung des früheren katalanischen Ministerpräsidenten, dem von Spaniens Justiz vorgeworfen wird, auf ungesetzliche Weise die Unabhängigkeit Kataloniens angestrebt zu haben. „Es scheint so, als ob es in Europa doch noch Gerechtigkeit gibt“, sagte Marcel Mauri, Vizechef der katalanischen Unabhängigkeitsplattform Òmnium Cultural. 

Der 1. Strafsenat des OLG schränkte zudem in einer weiteren Vorentscheidung die Überstellung Puigdemonts an Spaniens Obersten Gerichtshof ein. Die Oberlandesrichter kamen zu der Auffassung, eine Auslieferung wegen des spanischen Straftatbestands der Rebellion nicht in Betracht komme. Der im deutschen Recht für diesen Vorwurf vergleichbare Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, „weil es an dem Merkmal der Gewalt fehle“. 

Das OLG verwies darauf, dass es nach den vom Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall aufgestellten Grundsätzen für die Verwirklichung des Gewaltbegriffs nicht ausreiche, „dass ein Täter Gewalt androht oder anwendet, um ein Verfassungsorgan zu einem erstrebten Handeln zu veranlassen“. 

Hinsichtlich des von Spanien erhobenen Vorwurfs der „Korruption“ in Form von Veruntreuung öffentlicher Gelder erscheine die Auslieferung jedoch „nicht von vornherein unzulässig“. Wie das Oberlandesgericht in einer Erklärung am Donnerstagabend mitteilte, seien hinsichtlich dieser Beschuldigung aber „noch weitere tatsächliche Umstände zu klären und weitere Informationen einzuholen“. 

Im Zuge des Auslieferungsverfahrens müssen die Oberlandesrichter in Schleswig über die Rechtmäßigkeit des spanischen Gesuchs entscheiden. Dabei geht es nicht um eine Prüfung, ob die gegen Puigdemont erhobenen Vorwürfe zutreffend sind. Sondern nur darum, ob die vorgeworfenen Taten der Rebellion und der Veruntreuung nach dem deutschen Recht strafbar sind. Nach Meinung des Generalstaatsanwalt Schleswig-Holsteins traf dies in beiden Fällen zu. Das OLG folgte dieser Einschätzung nun nur in Sachen Veruntreuung. 

Die Richter wiesen jedoch die Behauptung Puigdemonts und seiner Anwälte zurück, dass der Separatistenchef der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Anhaltspunkte dafür sind nach Meinung des Schleswig-Holsteinischen Strafsenats „nicht ersichtlich“. 

"Fluchtgefahr deutlich geringer"

Die vorläufige Freilassung Puigdemonts begründete das OLG damit, dass nach dem Wegfall des Auslieferungsgrundes Rebellion die Fluchtgefahr deutlich geringer sei. Deswegen reichten „weniger einschneidende Maßnahme als der Vollzug der Auslieferungshaft zur Sicherung des Auslieferungsverfahrens aus“.

Für Spaniens Justiz bedeutet diese Einschränkung der Auslieferungsgründe, dass Puigdemont nicht wegen des schweren Vorwurfs der Rebellion vor Gericht gestellt werden kann. Im Falle einer Verurteilung können für diesen Straftatbestand bis zu 30 Jahre Haft verhängt werden. Sollte das OLG endgültig einer Auslieferung wegen des Vorwurfs der Korruption in Form von Veruntreuung zustimmen, dürfte dem Separatistenführer nur wegen dieses Vorwurfs der Prozess gemacht werden.

Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte mit Bedauern. „Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger“, sagte Justizminister Rafael Catalá in einer ersten Reaktion in Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft entscheiden.

Die Anwälte Puigdemonts zeigten sich erfreut über die bevorstehende Entlassung ihres Mandanten. Der "unerhörte" Vorwurf der "Rebellion" sei mit der Entscheidung des Gerichts aus der Welt geschafft worden, erklärten seine deutschen Strafverteidiger. Puigdemont selbst schrieb am Abend im Kurzbotschaftendienst Twitter: "Vielen Dank an alle!" und fügte hinzu: "Wir sehen uns morgen!"

Nach Angaben des Gefängnisses in Neumünster soll Puigdemont nicht vor Freitag aus der Haft entlassen werden. Seine Anwälte teilten mit, sie würden die Entscheidung des Gerichts respektieren, im Bezug auf den Vorwurf der Untreue nicht über die Auslieferung entscheiden zu wollen, ohne der spanischen Justiz Gelegenheit zu geben, diesen zu belegen, hieß es in der Mitteilung. "Wir freuen uns sehr für unseren Mandanten", erklärten die Strafverteidiger. (mit dpa, AFP)

Zur Startseite