Neue Studie: Psychisch Kranke werden in Kliniken nicht angemessen behandelt
Psychiatrische und psychosomatische Kliniken verfügen über zu wenig und teilweise nicht ausreichend qualifiziertes Personal, um ihre Patienten angemessen behandeln zu können. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bundespsychotherapeutenkammer.
Für die Expertise, die dem Tagesspiegel vorliegt, hat das Iges-Institut im Auftrag der Kammer mehr als 1500 Psychotherapeuten befragt, die in Krankenhäusern arbeiten. Ihnen zufolge stellt sich das Problem vor allem bei Menschen mit Schizophrenie oder Borderline-Störung. Sie könnten "nicht davon ausgehen, dass sie in jedem Krankenhaus eine Behandlung nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erhalten", sagte Kammerpräsident Rainer Richter. Zudem übernähmen in vielen Häusern Psychotherapeuten, die noch ganz am Anfang ihrer Ausbildung stehen, einen maßgeblichen Teil der Versorgung.
Größte Defizite in Allgemeinkliniken
Die größten Defizite gibt es der Umfrage zufolge in den Psychiatrie-Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern. Bei Patienten mit Schizophrenie verneinte ein Viertel der Therapeuten die Frage, ob Betroffene dort ein psychotherapeutisches Angebot erhalten. In Universitätskliniken waren es nur sieben Prozent. Dabei, so betonte die Kammer, würden die Budgets aller Krankenhäuser auf gleicher Basis (Psychiatrie-Personalverordnung)verhandelt. Theoretisch habe damit jedes Haus die Möglichkeit, gleich viel Personal einzusetzen.
Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die häufig stationär behandelt wird. 2012 wurden deshalb fast 130 000-mal Patienten in eine Klinik eingewiesen. Das entspricht knapp 18 Prozent aller Behandlungsfälle. Den befragten Therapeuten zufolge bekommen sie in nahezu allen Häusern (94 Prozent) eine medikamentöse Behandlung. Doch nur in 46 Prozent der Einrichtungen werde auch allen eine Psychotherapie offeriert – obwohl dies nach den wissenschaftlichen Leitlinien für Schizophrenie-Patienten geboten ist. In elf Prozent der Häuser fehlt dieses Behandlungsangebot komplett, in weiteren 42 Prozent wird es nur einem Teil der Patienten angeboten.
Zu wenig Zeit für Patienten
Borderline-Patienten, die etwa drei Prozent der Behandelten in Kliniken ausmachen, wird zwar in 85, 4 Prozent Psychotherapie angeboten. Jedoch reichten hier meist weder Behandlungszeit noch -intensität. Danach nämlich würden diese Erkrankten oft nicht ambulant weiterbehandelt. Für sie wäre mehr sektorübergreifende Kooperation besonders nötig, mahnen die Experten. Entsprechende Netze sollten – analog zur spezialfachärztlichen Versorgung – für psychisch kranke Menschen flächendeckend geschaffen werden.