Konstituierende Sitzung des Bundestages: „Prügeln sollten wir uns hier nicht.“
Der bisherige Finanzminister Schäuble wurde mit 501 Stimmen zum Parlamentspräsidenten gewählt. Und es gab Streit.
Der neue Bundestagspräsident, Wolfgang Schäuble (CDU), hat die Abgeordneten des 19. Deutschen Bundestages zu Fairness in der politischen Auseinandersetzung und respektvollem Umgang miteinander aufgefordert. „Demokratischer Streit ist notwendig“, sagte Schäuble am Dienstag. Die gewählten Abgeordneten dürften sich dabei aber nicht verächtlich machen und erniedrigen. „Prügeln sollten wir uns hier nicht.“ Das Parlament müsse vielmehr ein Beispiel setzen für einen zivilisierten Umgang miteinander. Schäuble unterstrich: „Im Parlament schlägt das Herz unserer Demokratie.“
Dreißig Tage nach der Bundestagswahl am 24. September konstituierte sich der Bundestag, dem 709 Abgeordnete und damit mehr Parlamentarier als je zuvor angehören. Nach vierjähriger Abwesenheit ist auch die FDP mit 80 Abgeordneten Teil dieses Bundestages. Mit 92 Mandatsträgern nahm erstmals auch die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) im Plenarsaal des Reichstags Platz. Insgesamt gehören dem Parlament sechs Fraktionen an. Zwei gewählte Abgeordnete, unter ihnen die ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry, hatten nach der Wahl bekannt gegeben, dass sie nicht der AfD- Fraktion angehören wollen und sind damit fraktionslose Mitglieder des Parlamentes.
AfD-Kandidat Glaser scheiterte
Der 75-jährige ehemalige Bundesfinanzminister Schäuble wurde mit 501 Stimmen zum Parlamentspräsidenten gewählt. Zu seinen Stellvertretern wählte das Parlament Hans-Peter Friedrich (CSU), Thomas Oppermann (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP), Claudia Roth (Grüne) und Petra Pau (Linke). Die Fraktionen hatten sich zuvor darauf verständigt, je einen Stellvertreter an die Spitze des Bundestages zu entsenden.
Der Kandidat der AfD, Albrecht Glaser, scheiterte im ersten Wahlgang mit 115, im zweiten Wahlgang mit 123 und im dritten mit 114 Ja-Stimmen an der erforderlichen Mehrheit von 355 Stimmen. Für ihn stimmten damit nicht nur die 92 Abgeordneten seiner eigenen Fraktion. Schon vor seiner Nominierung hatte es Kritik an Glaser gegeben, der den Islam wiederholt als politische Ideologie bezeichnet und die Religionsfreiheit für Muslime infrage gestellt hatte.
Eröffnet hatte die konstituierende Sitzung Alterspräsident Hermann Otto Solms (FDP), der 33 Jahre im Bundestag saß. Er ist damit nach Schäuble, der für das Amt des Präsidenten kandidieren und deshalb die Sitzung nicht leiten wollte, der dienstälteste Abgeordnete. Solms mahnte das Parlament, Lösungen für die Probleme der Zukunft zu finden.
Noch vor der Wahl des Bundestagspräsidiums lösten verschiedene Änderungsanträge zur Geschäftsordnung heftigen Streit aus. Die AfD hatte unter anderem verlangt, die Regelung rückgängig zu machen, nach der der dienstälteste Parlamentarier und nicht der nach Lebensjahren älteste die Sitzung eröffnen soll. Die SPD verlangte, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mindestens vier Mal im Jahr in einer Regierungsbefragung äußern muss. Auch die Linke hatte Änderungen der Regierungsbefragung und die sofortige Einsetzung von Ausschüssen verlangt. Alle Anträge wurden mit den Stimmen von Union, FDP und Grünen abgelehnt beziehungsweise zur weiteren Beratung überwiesen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entließ im Anschluss an die Sitzung formell die Bundesregierung, die nun geschäftsführend bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt ist.
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