Frankreich: Proteste der "Gelbwesten" in Paris eskalieren
Bei Demonstrationen gegen die Politik von Emmanuel Macron ist es erneut zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Die Proteste der französischen "Gelbwesten"-Bewegung gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron sind am Samstag in Gewalt umgeschlagen. In den Straßen von Paris kam es zu chaotischen Szenen, als Randalierer Barrikaden errichteten, Autos anzündeten und Fensterscheiben einwarfen. Nach gewaltsamen Ausschreitungen nahm die Polizei in der Hauptstadt mehr als 200 Menschen fest. Rund 65 Menschen wurden verletzt, unter ihnen waren elf Polizisten.
In der Nähe des Arc de Triomphe versuchten Randalierer, eine Polizeisperre zu durchbrechen. Die Ordnungskräfte trieben die Demonstranten unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern auseinander.
Innenminister Christophe Castaner sprach von 1500 gewaltbereiten "Unruhestiftern", die sich nahe den Champs-Elysées versammelt hätten und sich prügeln wollten. "Unsere Sicherheitskräfte sind präsent und drängen die Randalierer zurück", erklärte der Minister im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Die Bürgermeisterin des achten Pariser Arrondissements, Jeanne d'Hauteserre, sprach von einem "Zustand des Aufruhrs" in ihrem Viertel. Dort kam es zu besonders vielen Ausschreitungen.
Einige der Demonstranten warfen Pflastersteine auf Lastwagen der Gendarmerie, wie ein AFP-Reporter berichtete. Vermummte und behelmte Demonstranten stimmten am Arc de Triomphe, einem Monument für Frankreichs Kriegstote, unter anderem die Nationalhymne an. Andere lieferten sich Scharmützel mit der Polizei und setzten Fahrzeuge in Brand. Doch mehrere hundert "Gelbwesten" liefen friedlich hinter einem Transparent mit der Aufschrift "Macron, hör auf uns für dumm zu verkaufen!"
Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Krawalle scharf. „Ich werde immer Protest akzeptieren, ich werde immer der Opposition zuhören, aber ich werde nie Gewalt akzeptieren“, sagte er während einer Rede beim G20-Gipfel in Buenos Aires. Wer so gewalttätig sei, wolle keine Veränderung, sondern nur Chaos. Nichts rechtfertige Angriffe auf die Polizei, Plünderung oder Vandalismus.
Premierminister Édouard Philippe sprach von einem "selten erreichten Ausmaß der Gewalt". Die Demonstranten hätten "Symbole Frankreichs in Frage gestellt", den "Arc de Triomphe mit Graffiti besprüht" und "rund um das Grab des unbekannten Soldaten eine gewalttätige Demonstration" organisiert, sagte Philippe. Dies sei "schockierend".
Auf den für den Verkehr gesperrten Champs-Elysées befanden sich zahlreiche Lastwagen mit Bereitschaftspolizisten, Passanten wurden überprüft. Einige Schaufenster von Geschäften waren durch Holzbretter geschützt. Auf dem Pariser Prachtboulevard war es bereits vergangene Woche zu Ausschreitungen gekommen.
Die Zahl der Demonstranten betrug nach Angaben des Innenministeriums am Nachmittag landesweit geschätzt 75.000. Davor war von 5500 Demonstranten auf den Champs-Elysées in Paris die Rede gewesen.
Die "Gelbwesten"-Bewegung hatte über die Online-Netzwerke für Samstag unter anderem zu Straßenblockaden in Paris aufgerufen. Dort wurden rund 5000 Polizisten zusammengezogen.
Es war der dritte nationale Aktionstag an einem Samstag in Folge, wobei die Teilnehmerzahl stetig sank. Am 17. November beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums 282.000 Menschen an den landesweiten Protesten, am 24. November waren es demnach 106.000, davon 8000 in der Hauptstadt. Damals hatte es 103 Festnahmen gegeben.
Die "Gelbwesten" fordern unter anderem Steuersenkungen sowie eine Anhebung von Mindestlöhnen und Renten. Präsident Emmanuel Macron hat zugesagt, die umstrittene Ökosteuer auf Diesel an den Kraftstoffpreis anzupassen. Das geht den Aktivisten aber nicht weit genug. Die Gewerkschaft CGT rief parallel zu einer Kundgebung am Pariser Platz der Republik auf.
Mehrere Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, die Gewalt eskalieren zu lassen, um die "Gelbwesten" zu diskreditieren. Der Rechtsnationalist Nicolas Dupont-Aignan forderte den Rücktritt von Innenminister Castaner. Der Linksparteichef Jean-Luc Mélenchon kritisierte die Regierung "übermäßige Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstranten" vor.
Die Partei von Macron wählte derweil dessen Vertrauten Stanislas Guerini mit großer Mehrheit zu ihrem neuen Vorsitzenden. Der 36-jährige Abgeordnete von La République en Marche (LREM, Die Republik in Bewegung) hatte Macrons Bewegung En Marche! mit gegründet, die sich später umbenannte. Sein Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden war Castaner. Nach dessen Wechsel an die Spitze des Innenministeriums war der LREM-Vorsitz zunächst vakant geblieben. (AFP)