zum Hauptinhalt
Einsatz auf der Hygienedemo. Die Polizisten gingen auch gegen Antisemitismus vor.
© John MacDougall/AFP

Antisemitismus bei Corona-Leugnern: Protest mit Judenstern gegen den Staat

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) warnen vor judenfeindlichen Tendenzen in der Coronakrise. Der Hass verlagere sich auf die Straße.

In Teilen der Protestbewegung gegen die staatlichen Coronavirus-Maßnahmen nimmt offenbar Antisemitismus zu, vor allem durch Verharmlosung des Nationalsozialismus.

In Berlin hätten Demonstranten auf Schildern die Gesichtsmasken mit dem Judenstern des NS-Regimes gleichgesetzt und behauptet, wer nicht auf die Straße gehe, wache morgen im Nationalsozialismus wieder auf, berichtete Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), am Mittwoch in einer Videopressekonferenz.

[Verfolgen Sie in unseren Liveblogs die aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus in Berlin und zum Coronavirus in Deutschland und der Welt.]

Jüdinnen und Juden mussten in der Zeit des Nationalsozialismus den Judenstern tragen und wurden damit ausgegrenzt und stigmatisiert.

Eine RIAS-Kollegin aus Bayern berichtete von zehn Vorfällen. Auf Demonstrationen würden Schilder gezeigt mit Parolen wie „Ausgangsbeschränkungen sind sozialer Holocaust“. Auf Gesichtsmasken sei der Judenstern aufgedruckt und das Wort „Jude“ durch „ungeimpft“ ersetzt.

Eine RIAS-Mitarbeiterin aus Brandenburg erwähnte Judensterne mit der Aufschrift „Impfgegner“. In den vergangenen Wochen sei zu beobachten, „dass der Antisemitismus vom Internet auf die Straße verlegt wird“, warnte Steinitz.

RIAS dokumentiert 1453 antisemitische Vorfälle aus 2019

Der RIAS-Verbund stellte zudem einen Report zu bundesweitem Antisemitismus vor. 2019 wurden nach Angaben von Steinitz 1453 judenfeindliche Delikte und weitere Vorfälle knapp unterhalb der Strafbarkeit registriert, darunter abfällige Äußerungen im Alltag.

Mindestens 550 Personen seien bei den 1453 Meldungen „ unmittelbar betroffen“ gewesen. RIAS geht zudem von einem großen Dunkelfeld aus, zumal der im Aufbau befindliche Verbund bislang nur Meldestellen in Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Bayern betreibt. In weiteren sechs Ländern gibt es Projekte oder „Problembeschreibungen“.

Antisemit bei Corona-Protest. Der Rechtsextremist Nikolai Nerling (links), Eigenbezeichnung "Volkslehrer", bei einer Demonstration in Berlin gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Coronakrise
Antisemit bei Corona-Protest. Der Rechtsextremist Nikolai Nerling (links), Eigenbezeichnung "Volkslehrer", bei einer Demonstration in Berlin gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronakrise.
© Björn Kietzmann

In Berlin registrierte RIAS 881 antisemitische Vorfälle, in Brandenburg 138, in Schleswig-Holstein 56 und in Bayern 178. Weitere 200 Aktivitäten von Judenhassern wurden in anderen Bundesländern festgestellt.

Steinitz sprach zudem von „schier unglaublichen Massen an antisemitischen Meinungsbekundungen im Internet“. Hier konzentriert sich RIAS darauf, schwere Fälle wie Drohungen und Beschimpfungen gegen einzelne Jüdinnen und Juden sowie gegen jüdische Institutionen zu dokumentieren.

Polizei registriert in diesem Jahr bereits 287 judenfeindliche Delikte

Die Polizei hat nach vorläufigen Erkenntnissen im vergangenen Jahr bundesweit 2032 antisemitische Straftaten festgestellt. Das ist die höchste Zahl seit 2001, damals wurde ein neues Meldesystem zu politisch motivierter Kriminalität eingeführt.

Für die ersten drei Monate 2019 registrierten die Polizeien der Länder bislang 287 judenfeindliche Delikte, darunter sieben Gewalttaten. Die Zahlen stehen in einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke).

Zur Startseite