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Ob China mit der indirekten Entschuldigung des japanischen Premiers für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs zufrieden sein wird? Diese Skulpturen - insgesamt 402 - sind Teil eines Mahnmals in der Provinz Yunnan. Das Mahnmal zur Erinnerung an die Schlacht von Songshan nimmt den Kampf chinesischer Soldaten gegen die japanischen Invasoren auf.
© How Hwee Young/dpa

70. Jahrestag der Kapitulation von Japan: Premierminister Shinzo Abe entschuldigt sich indirekt für Kriegsverbrechen

Die Erwartungen der pazifischen Nachbarn erfüllt Japans Premier nicht ganz. Aber er spricht von einer "innigen Entschuldigung", von "tiefer Trauer" und von "Aggression". Das ist mehr als Japans Spitzenpolitiker bisher dazu gesagt haben.

Im Namen seiner Nation tut es ihm leid. Das ist wohl der wichtigste Satz der Rede, die Shinzo Abe am Freitagabend in Tokio verlas. Einen Tag vor dem 70. Jahrestag der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg positionierte der Premierminister sein Land zur unangenehmen Kriegsvergangenheit. Japan kämpfte damals an Deutschlands Seite und machte sich auf brutale Weise fast den ganzen Pazifikraum untertan. Weil hohe Politiker in den Nachkriegsjahrzehnten häufig verharmlosend darüber sprachen, war über das Statement von Shinzo Abe seit Monaten spekuliert worden.
Der japanische Premier ist in Ostasien als Nationalist verschrien. Vermehrt fiel er, der Enkel eines verurteilten Kriegsverbrechers und späteren Premierministers, als einer auf, der bei Japans Vergangenheit wenig Sensibilität für die Nachbarländer bewies. Seit Abes Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren haben sich die Beziehungen zu China und Südkorea eher verschlechtert. Diesem Shinzo Abe fiel nun die Aufgabe zu, sein Land nicht nur historisch einzuordnen, sondern auch, wie er selbst vorab sagte: Japan auf dieser Basis für die Zukunft auszurichten.

Der japanische Premierminister Schinzo Abe hat am Freitagabend eine lang erwartete Rede zum 70. Jahrestag der Kapitulation seines Landes gehalten.
Der japanische Premierminister Schinzo Abe hat am Freitagabend eine lang erwartete Rede zum 70. Jahrestag der Kapitulation seines Landes gehalten.
© Toru Hanai/Reuters

Gegen alle Befürchtungen hat der Premier zumindest jene Schlüsselwörter aufgesagt, auf die man in Peking, Seoul und anderswo gewartet hatte: „innige Entschuldigung“, „tiefe Trauer“, „Aggression“. Im Vergleich zur Rede des Premierministers Tomiichi Murayama, der zum 50. Jahrestag der Kapitulation 1995 erstmals solche Begriffe verwendete, ist Abes Rede deutlich länger: Sie beschreibt den Weg Japans in den Krieg, begonnen mit europäischem Imperialismus, diplomatischer Isolation und Wirtschaftskrise. Anders als sein Vorgänger nennt Abe einige Nationen, die von Japans Armee angegriffen oder kolonisiert wurden: China, Korea, Indonesien, Taiwan, die Philippinen. Zudem sagt Abe unmissverständlich: „Unschuldigen Menschen hat Japan unermesslichen Schaden und Leid angetan.“ Und kurz darauf: „Wiederholt hat Japan seine Gefühle tiefer Reue und einer innigen Entschuldigung für seine Taten während des Krieges ausgedrückt.“ Daran sei auch in der Zukunft „nicht zu rütteln“.

Diese jungen Frauen in Taiwan lesen Gedichte von sogenannten Trostfauen, den Frauen, die von japanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu Zwangsprostituierten gemacht worden waren. Seit Jahren warten diese Frauen auf eine Entschuldigung des japanischen Staates.
Diese jungen Frauen in Taiwan lesen Gedichte von sogenannten Trostfauen, den Frauen, die von japanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu Zwangsprostituierten gemacht worden waren. Seit Jahren warten diese Frauen auf eine Entschuldigung des japanischen Staates.
© Henry Lin/dpa

Eine weitere Schlüsselstelle: „Wir werden die Vergangenheit in unseren Herzen verewigen, als in den Kriegen im 20. Jahrhundert die Würde und Ehre vieler Frauen schwer verletzt wurde.“ Eine klare Referenz an die „Trostfrauen“, Frauen anderer asiatischer Länder, die Japans Armee als Zwangsprostituierte für die eigenen Soldaten ausnutzte. Seit Jahrzehnten belasten sie insbesondere Japans Beziehungen mit Südkorea. Allerdings wird hier auch deutlich, dass Abe bei heiklen Themen vermeidet, konkret zu werden. Weder werden die Nationalitäten der Trostfrauen genannt, noch erwähnt er die Verantwortung der japanischen Regierung für deren Leid. Schließlich stellte Abe vor seiner Wahl eben diese Schuld Japans selbst infrage.

Und so wird Abes Rede in China, Südkorea und anderswo auch verstanden. Mit dieser Lesart fällt auf, wie der japanische Premier nicht nur die einst bekämpften Nachbarn, sondern auch den nationalistischen Flügel seiner Liberaldemokratischen Partei befrieden will, der ihm eine wichtige innenpolitische Stütze ist. So erwähnt Abe die japanischen Kriegsopfer noch vor den ausländischen, und das Wort „Entschuldigung“ spricht er nur in Referenz zu seinen Amtsvorgängern aus. In China und Südkorea wird man sagen können: eine eigene Entschuldigung hat Abe damit nicht geliefert. Zudem hat er sich dafür stark gemacht, dass dies auch nicht auf ewig so weitergehen müsse. Japan werde nie wieder Krieg führen, aber: „Die Nachkriegsgenerationen machen heute mehr als 80 Prozent der Bevölkerung aus. Wir dürfen unsere Kinder, Enkelkinder und zukünftige Generationen, die mit dem Krieg nichts zu tun haben, nicht zu weiteren Entschuldigungen verpflichten.“ Das klingt nach einem offensichtlichen Detail. Aber in Ostasien könnte es auch so aufgefasst werden: „Langsam reicht es mit Entschuldigungen.“ Ob sich die Lage in Ostasien entspannt, hängt auch davon ab, wie Japans Nachbarn die Abe-Rede mit ihren vagen Formulierungen verstehen.

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