Streit in der türkischen Regierung: Premier Davutoglu gibt Machtkampf mit Präsident Erdogan wohl auf
Der türkische Premier Davutoglu steht vor dem politischen Aus. Er wird offenbar nicht Chef der Regierungspartei bleiben. Damit wäre Staatschef Erdogan einen Widersacher los.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat seinen Machtkampf gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan verloren und steht offenbar vor dem politischen Aus. Nach einem Gespräch der beiden Politiker am Mittwochabend meldeten türkische Medien, die Regierungspartei AKP werde in den kommenden Wochen einen Sonderparteitag einberufen, auf dem Davutoglu nicht mehr als Parteichef kandidieren werde. Davutoglu will sich am heutigen Donnerstag vor der Presse äußern.
Erdogan hatte seinen ehemaligen Berater und Außenminister Davutoglu vor zwei Jahren als seinen Nachfolger als Premier und Chef der Regierungspartei AKP eingesetzt. Doch sei einiger Zeit wachsen die Reibungen zwischen beiden. Vergangene Woche beschloss der AKP-Parteivorstand gegen Davutoglus Willen, die Rechte des Parteichefs zu beschränken. Davutoglu wurde die Möglichkeit genommen, AKP-Provinzfürsten im Alleingang zu ernennen. Mit der Entscheidung wollte Erdogan, der auch als nominell parteiunabhängiger Präsident der entscheidende Mann in der AKP geblieben ist, den Aufbau einer eigenen Hausmacht durch Davutoglu verhindern. Davutoglu deutete daraufhin einen möglichen Rücktritt an.
Davutoglu steht im Verdacht, Erdogans Lieblingsprojekt der Einführung eines Präsidialsystems nur halbherzig zu verfolgen. Der Premier legte bisher keinerlei Eile an den Tag, was die für die Systemumstellung nötigen Verfassungsänderungen angeht. Dagegen dringt Erdogan nach Presseberichten auf baldige Beschlüsse und eine Volksabstimmung über die neuen Verfassung noch in diesem Jahr.
In einigen Berichten hieß es, Erdogan werde möglicherweise versuchen, die derzeit geplante Aufhebung der Immunität kurdischer Parlamentsabgeordneter zu nutzen, um vorzeitige Wahlen anzusetzen, bei denen die AKP die für die Verfassungsänderungen notwendige Parlamentsmehrheit gewinnen könnte. Als möglicher Nachfolger Davutoglus wurde in türkischen Medienberichten unter anderem Justizminister Bekir Bozdag genannt. Bozdag ist ein treuer Gefolgsmann Erdogans. Die politischen Spannungen in der Türkei verunsichern die Märkte: Die Türkische Lira verlor nach dem Treffen von Erdogan und Davutoglu drastisch an Wert.