Verfassungskrise in Venezuela: Präsident Maduro lässt Entmachtung des Parlaments prüfen
Der venezuelanische Präsident ließ mithilfe des Obersten Gerichts die Gewaltenteilung in seinem Land aushebeln. Jetzt soll die Entscheidung rückgängig gemacht werden.
In der Verfassungskrise in Venezuela sollen die umstrittenen Urteile des Obersten Gerichtshofs revidiert werden. Das Gericht werde seine Entscheidungen zur Entmachtung des Parlaments und zur Aufhebung der Immunität der Abgeordneten "klarstellen und korrigieren", sagte Präsident Nicolás Maduro nach einer Sitzung des nationalen Verteidigungsrats am Samstagmorgen. Zuvor hatte die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega die Urteile als Verstoß gegen die Verfassung kritisiert. Der Verteidigungsrat unter Vorsitz von Maduro erklärte nach seiner Krisensitzung, das Gericht sei aufgefordert worden, seine Entscheidungen zu überprüfen, um "die institutionelle Stabilität und das Gleichgewicht der staatlichen Gewalten" aufrechtzuerhalten. Der sozialistische Präsident erklärte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, die durch die Urteile ausgelöste Krise sei "überwunden". Das Gericht werde seine Entscheidungen "klarstellen und korrigieren".
Die Opposition hatte Maduro zuvor einen "Staatsstreich" vorgeworfen. Auch die USA, die EU, Deutschland, Spanien sowie die Union südamerikanischer Staaten (Unasur) und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) beklagten eine Abkehr von der verfassungsmäßigen Ordnung in Venezuela. Der Oberste Gerichtshof in Caracas hatte im August 2016 entschieden, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstoße, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandat wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs ausgeset worden war, vereidigt hatte. Am Mittwoch beschloss der Gerichtshof dann, der Nationalversammlung ihre Kompetenzen zu entziehen und auf sich selbst zu übertragen. Außerdem hob das Gericht die Immunität der Abgeordneten auf.
Maduro weist Vorwürfe zurück - und kündigt Krisensitzung an
Am Freitag sprach auch Generalstaatsanwältin Ortega während einer Live-Sendung im Fernsehen überraschend von einem "Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung". Es war die erste Erklärung einer hohen Staatsbediensteten, in der die Entscheidungen des Obersten Gerichts kritisiert wurden. Ortega ging damit auf Distanz zum sozialistischen Staatschef Maduro, dem Erben des langjährigen Präsidenten Hugo Chávez (1999-2013) und des nach ihm benannten Chavismus. Der Politikwissenschaftler Luis Salamanca sprach von einer "Rissbildung, wenn nicht einem Bruch in der internen Machtstruktur des Chavismus".
Maduro wies den Vorwurf des Verfassungsbruchs am Freitag in einer Rede vor jubelnden Anhängern zurück. Die Verfassung sei ebenso wie die "zivilen, politischen und Menschenrechte und die Macht des Volkes voll in Kraft". Zugleich kündigte er eine Krisensitzung des Verteidigungsrats an. Er wolle "durch den Dialog und (im Rahmen der) Verfassung" die "Sackgasse" auflösen, in der sich die Generalstaatsanwältin und das Oberste Gericht befänden. An den Beratungen des Gremiums in der Nacht zum Samstag nahm auch der Präsident des Obersten Gerichts, Maikel Moreno, teil. Der oppositionelle Parlamentspräsident Julio Borges boykottierte die Sitzung des Gremiums. Maduro trage die Verantwortung für den "Verfassungsbruch" und dürfe sich nun nicht als Vermittler aufspielen. Auch Generalstaatsanwältin Ortega nahm an dem Treffen nicht teil.
Für Samstag war eine Demonstration der Opposition in der Hauptstadt Caracas angekündigt. Bereits am Freitag hatte es kleinere Proteste gegeben. Mehrere dutzend Menschen kamen in Caracas zusammen, wie AFP-Reporter beobachteten. Auf einem Protestschild stand "Nein zur Diktatur". Es kam zu Zusammenstößen zwischen Studenten und der Polizei. Zwei Studenten und ein Journalist wurden nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation festgenommen. (AFP)
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