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Hans-Georg Maaßen, CDU-Kandidat in Südthüringen, bereitet Laschet Kopfzerbrechen.
© imago images/ari

„Das ist ein Dammbruch“: Politikwissenschaftler warnt CDU vor laschem Umgang mit Maaßen

Die CDU kann die Causa Maaßen nicht einfach aussitzen, sagt der Politologe Andreas Püttmann. Es sieht eine ernste Gefahr für die Partei.

Andreas Püttmann (57) ist Politikwissenschaftler und Publizist. Seine Schwerpunkte sind Sozialethik, Demoskopie und Rechtspopulismus.

Herr Püttmann, in der CDU rumort es angesichts der Provokationen des früheren Geheimdienstchefs Hans-Georg Maaßen, der in Südthüringen als Direktkandidat für die Partei antritt. Warum ist die Personalie so heikel für die CDU?
Einerseits kann die Causa Maaßen die CDU in der Mitte Wähler kosten. Für relevanter halte ich aber, dass der falsche Umgang mit Maaßen die CDU selbst verändern könnte. Dadurch dass der Parteivorsitzende Laschet bisher Maaßen nicht deutlich in die Schranken wies, fühlen sich Kräfte am rechten Rand der CDU ermutigt, die ins AfD-Spektrum hineinreichende Überzeugungen vertreten. Denen wird vermittelt, dass sie legitimes CDU-Spektrum seien und nicht etwa problematische Grauzone. Dazu gehören Anhänger der „Werteunion“, aber insbesondere auch Teile der Ost-Landesverbände.

In der CDU argumentieren ja einige, dass man Maaßen nicht durch zu viel Aufmerksamkeit größer machen soll, als er ist. Was macht ihn denn aus Ihrer Sicht gefährlich?
Erstens steht er für eine Rechtsoffenheit, die er selber bestreitet. Sie zeigt sich beispielsweise in den rechtslastigen Medien, in denen er publizistisch auftritt oder die er in den sozialen Medien teilt. Zweitens kann man bei ihm eine Ideologisierung, ja sogar Fanatisierung beobachten. Er ist ein fanatischer Anti-Linker, während seine Distanzierung vom rechten, nicht-demokratischen Rand eher matt und pflichtschuldig wirkt. Und drittens – das ist eigentlich am gefährlichsten – schürt unter anderem seine Forderung nach Gesinnungsüberprüfung für Journalisten Zweifel daran, ob er Grundregeln der liberalen Demokratie verinnerlicht hat.

In Bezug darauf ist Maaßen ja mittlerweile zurückgerudert.
Ja, aber es ist doch immer das gleiche Muster: Da wird mit einer Äußerung, die das wahre, glühende Innere zeigt, nach vorne geprescht und wenn dann Empörung aufkommt, folgt eine Versicherung, dass man natürlich für Grundwerte wie die Pressefreiheit einsteht. Das kennen wir von vielen Populisten.

Also hat das Methode?
Ich würde Maaßen nicht unterstellen, dass er bewusst diese Methode wählt, um die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Ich vermute, das rutscht ihm einfach raus, wenn er sich in der Gesellschaft von Gesinnungsgenossen befindet. Die Blase enthemmt. Das Problem ist, dass Maaßen ein Scharnier ist, ein Verbindungsglied zwischen Rechtskonservatismus und radikalem Rechtspopulismus.

Er reißt eine Grenze ein.
Ja. Für die Verteidigung der Brandmauer nach rechts sind vor allem Konservative verantwortlich. Der Antifaschismus von links bringt da nicht so viel, weil er in dem umkämpften Milieu keine Glaubwürdigkeit hat. Deswegen haben da Union und FDP eine so große Verantwortung.

Ist sich Laschet dieser Verantwortung nicht bewusst?
Ich glaube nicht, dass Laschet eine Rechtsverschiebung der Union intendiert. Er handelt eher aus Schwäche und Furcht, das gleiche Schicksal wie seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu erleiden. Die fuhr nach dem Chaos um die Ministerpräsidentenwahl nach Thüringen, konnte sich dort nicht durchsetzen und stand hinterher ohne Autorität in der Partei da. Das will Laschet für sich unbedingt vermeiden. Gleichzeitig scheint er zu glauben, dass man das Problem Maaßen aussitzen könne. Falls der überhaupt in den Bundestag gewählt wird, so das Kalkül, kann man ihn ja dann als Hinterbänkler versauern lassen. Aber das ist eben kurzsichtig. Wenn man Maaßens Positionen nicht entschieden entgegentritt, werden sie normalisiert und in der CDU salonfähig gemacht.

Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann.
Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann.
© privat / katholisch.de

Selbst NRW-Gesundheitsminister Laumann, Vertreter des Sozialflügels in der CDU, hat gesagt Maaßen gehöre noch zum Spektrum der CDU.
Im Herzen ist Laumann sicher weit weg von Maaßen, er wirkte auch entsprechend gequält. In dem Moment hat er als Parteisoldat gesprochen. Dennoch ist das ein Dammbruch nach den Äußerungen, die Maaßen gemacht hat. Viele in der CDU scheinen gar nicht erfasst zu haben, welche Probleme die Causa Maaßen zu zeitigen droht.

Sie vergleichen auf Twitter Maaßen mit Franz von Papen. Der trug einst dazu bei, Hitler an die Macht zu bringen. Ist das nicht überzogen?
Ich habe beide nicht direkt verglichen. Übrigens ist der Vergleich auch die Mutter der Differenz und nicht mit Gleichsetzung zu verwechseln. Die Gefahr einer rechtsradikalen Machtergreifung besteht anders als damals nicht. Franz von Papen war Mitglied der Zentrumspartei, verwehrte aber 1925 bei der Reichspräsidentenwahl dem Kandidaten der eigenen Partei die Unterstützung und sprach sich für Paul von Hindenburg aus, der für den „Reichsblock“ kandidierte. Das war in hohem Maße parteischädigend und verhängnisvoll. Die Zentrumspartei schloss ihn trotzdem nicht aus, bis er 1932 von selbst austrat. Diese lange Toleranz für jemanden, der geistig schon lange nicht mehr zur Zentrumspartei passte, sondern eher zur autoritär-deutschnationalen DNVP – das ist eine Parallele, die man durchaus ziehen kann. Auch in ihrer Selbstüberschätzung und ihren Feindbildprioritäten ähneln sich Papen und Maaßen.

Inwiefern?
Papen war jemand, für den die Kluft zwischen rechts und links im demokratischen Spektrum tiefer war als die zwischen demokratischen und anti-demokratischen Kräften. Er träumte von einem Rechtsblock und gab sich der Illusion hin, man könne Hitler an die Wand drücken. Auch zunächst anti-extremistische Konservative können sich im Laufe der Zeit unbewusst radikalisieren und in ihrem ungezügelten Willen zur Macht schließlich doch Zusammenarbeit mit Extremisten in Kauf nehmen.

Was müsste Laschet, was müsste die CDU denn jetzt tun in Bezug auf Maaßen?
Laschet konnte die Kandidatur Maaßens in Thüringen nur schwer verhindern, weil die nach Recht und Gesetz der Wahlkreis trifft. Aber spätestens jetzt müsste er sich öffentlich positionieren. Erstens durch eine scharfe Distanzierung von den Aussagen Maaßens. Zweitens könnte er die Möglichkeit ansprechen, dass Maaßen nicht in die Unions-Fraktion aufgenommen wird, wenn er denn in den Bundestag gewählt wird. Drittens könnte er ein Parteiausschlussverfahren anstrengen, unabhängig von den Erfolgsaussichten. Klar muss jedenfalls bleiben, dass Typen wie Maaßen in der CDU keine Narrenfreiheit haben. Aber ich vermute bei Laschet obsiegt die Furcht, die Partei könne sich im Wahlkampf zerlegen, wenn er sich klar gegen ihren Rechtsaußen-Rand positioniert.

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