Die EU und die Freiheit der Medien in Polen: Polens Zivilgesellschaft braucht keine Hilfe aus Brüssel
Polens neue Regierung schränkt die Medienfreiheit ein, die EU macht Druck dagegen. Dabei sind die Polen gegen Einmischung von außen stets auf die Barrikaden gegangen. Ein Kommentar.
Europa ist in großer Sorge. Das Thema, das die Union umtreibt, ist so bedeutend, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker es auf die Tagesordnung der Kommissionssitzung vom 13. Januar gesetzt hat. Immerhin geht es am Ende um die Frage, ob einem Mitgliedsland der EU Brüsseler Aufsicht angedroht und sogar der Entzug von Stimmrechten als Druckmittel eingesetzt werden kann.
Sprechen wir vom permanenten Bruch der Maastricht-Kriterien durch Frankreich? Von der Weigerung mehrerer Länder, sich an der sehr bescheidenen Kontingentierung von Flüchtlingen zu beteiligen? Nein. Es geht um Polen. Die dort seit der letzten Parlamentswahl mit einer absoluten Mehrheit ausgestattete Partei „Recht und Gerechtigkeit“, die PiS, setzt gerade ihre illiberalen Vorstellungen von Pressefreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung um und löst die Chefredakteure im öffentlich- rechtlichen Fernsehen ab, um sie durch genehmere Journalisten zu ersetzen.
Das hat Günther Oettinger mobilisiert, nicht in seiner Eigenschaft als ehemaliger christdemokratischer Ministerpräsident Baden-Württembergs, sondern in der Funktion des für die Medienpolitik zuständigen EU-Kommissars.
Das Land ist in einer Phase innerer Zerrissenheit
Nun ist die Politik der PiS in der Tat ein schwieriger Fall. Polen weiß auch 25 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus immer noch nicht so genau, wie sein Platz in Europa und vor allem wie die politische und gesellschaftliche Orientierung des Landes selbst aussehen soll: national oder international, katholisch oder säkular, sozial oder liberal? In einer solchen Phase innerer Zerrissenheit ist eine Partei wie die PiS, die das „Sowohl als auch“ hasst und nur das „Entweder – oder“ als Herrschaftsprinzip kennt, eine große Belastung. Gewählt wurde die PiS freilich vor allem als Alternative zur bisherigen, als wenig fürsorglich titulierten Regierung, weniger wegen ihrer national-konservativen Ausrichtung.
Im Moment spricht alles dafür, dass die sehr lebendige polnische Zivilgesellschaft sich gut ohne Hilfe aus Brüssel wehren kann. Gegen Einmischung und Dominanzstreben von außen sind die Polen stets auf die Barrikaden gegangen. Europa hat, siehe oben, wirklich größere Sorgen.
Vor allem die Deutschen sollten sich als Erziehungshelfer zurückhalten, wenn es um Medienfreiheit im öffentlich-rechtlichen Raum geht. Hier wurde im November 2009 beim ZDF, auf Betreiben der CDU-nahen Kräfte in den Gremien, der Vertrag des untadeligen Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht verlängert. Roland Koch hatte das betrieben. Fünf Jahre später erklärte das Bundesverfassungsgericht den ZDF-Staatsvertrag in Teilen für verfassungswidrig – wegen der zu großen Politiknähe der Gremien.