Polen: Rechte Regierung greift Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen an
Nach dem Verfassungsgericht will die polnische Regierung nun auch Einfluss auf die Medien gewinnen. Radio und Fernsehen werden stärker der Regierung unterstellt.
Der Umbau des Staates schreitet in Polen mit Riesenschritten voran. Nach der Entmachtung des Verfassungsgerichts hat die neue nationalkonservative Regierung nun die Medien ins Visier genommen. Die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender werden zu sogenannten nationalen Kulturinstituten, die stärker der Regierung unterstehen. Nach dem Sejm, dem Unterhaus, stimmte an Silvester auch der Senat der Vorlage der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu. Krzysztof Luft, Mitglied des Rundfunkrats KRRiT, sprach im Sender TVP Info vom „schwärzesten Tag“ in der Geschichte der polnischen Medien seit der demokratischen Wende von 1989. Er warnte davor, dass die Medienpolitik der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen werde.
Alles deutet darauf hin, dass die PiS nach dem Wahlsieg vom Oktober ihre Macht in den Medien geltend machen will. Der Rundfunkrat verliert eine seiner wichtigsten Aufgaben, denn die Vorstände und Aufsichtsgremien der Sender werden künftig vom Minister für Staatsvermögen ernannt. Die Opposition befürchtet, dass Journalisten des Fernsehsenders TVP und des Radios kurzerhand durch linientreue „Kader“ ersetzt werden.
In der Sprache der PiS-Politiker hört sich das alles ganz anders an: Es gelte, die Situation in den Rundfunkanstalten zu zivilisieren oder zu kultivieren. Die Sender seien „Horte der ehemaligen Regierungsparteien, Lügen-Zentralen und Sitz politischer Günstlinge“, wetterte der PiS-Abgeordnete Marek Suski. In einer zweiten Etappe will die PiS im Frühjahr die Finanzierung der Sender ändern.
EU-Kommission aufgeschreckt
Das Durchpeitschen des Mediengesetzes hat die EU-Kommission aufgeschreckt. In Brüssel werden Erinnerungen an Ungarn wach, dessen nationalkonservativer Regierungschef Viktor Orban mehrfach von Brüssel zur Ordnung gerufen wurde. Sollte die EU-Kommission zu dem Schluss kommen, dass in Warschau EU-Recht verletzt wird, kann sie rechtlich gegen Polen vorgehen. In letzter Konsequenz kann es zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kommen. Kommissionsvize Frans Timmermans schickte bereits im Vorfeld seinen zweiten Brandbrief binnen weniger Wochen an die Weichsel. Ging es im ersten um die Einschränkungen des Verfassungsgerichts, zeigte er sich nun besorgt über das neue Mediengesetz. Freiheit und Meinungsvielfalt der Medien seien entscheidend für eine pluralistische Gesellschaft.
Es war nicht der einzige Warnung: Die Vereinigung der europäischen Rundfunkanstalten EBU rügte die Hast der Regierung in Warschau und rief dazu auf, die Integrität und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu bewahren. Sie seien „Symbole eines freien und demokratischen Landes“, sagte EBU-Direktorin Ingrid Deltenre.
In der Neujahrsansprache von Polens Präsident Andrzej Duda und einer Videobotschaft von Ministerpräsidentin Beata Szydlo kamen die kontroversen Änderungen nicht direkt zur Sprache. Duda forderte die Menschen auf, in immer stärkerem Maße zu einer „Gemeinschaft“ zusammenzurücken. „Auch wenn wir unterschiedlicher Ansicht sind, haben wir doch gemeinsame Ziele und Bestrebungen“, sagte der Nationalkonservative an die Adresse der knapp 40 Millionen Polen.
Jaroslaw Kaczynski, PiS-Vorsitzender und wichtiger Mann im Hintergrund, wies die internationale Kritik zurück. „Wir sind die wahre Stütze Europas“, sagte er im erzkonservativen, katholisch geprägten Sender „Radio Maryja“. Polen unter der PiS-Regierung verteidige die Demokratie gegen den Einfluss von Unternehmen. Es bewahre die Religionsfreiheit, die in Westeuropa in Gefahr sei.
Unerwartet offen rechtfertigte Jaroslaw Kaczynski die Entmachtung des Verfassungsgerichts: „Ich bin überzeugt, dass das höchste Gericht ... (der Opposition) als Bastion dienen sollte, um unsere Vorhaben für Veränderungen zu zerschlagen“, sagte der 66-Jährige. Mit Kritik am Mediengesetz habe er gerechnet: „Es gibt in Polen das Recht zu demonstrieren, und wir haben nicht die Absicht, es aufzuheben.“ (dpa)