Deutlicher Rückfall in Umfragen: Polens Regierungspartei PiS verliert
Beim EU-Gipfel hat sich die PiS mit ihrem Widerstand gegen EU-Ratspräsident Donald Tusk isoliert. Das beunruhigt viele Bürger. Eine Analyse.
Polens konservative Regierungspartei PiS hat nach ihrer Selbstisolierung beim EU-Gipfel vor drei Wochen einen Popularitätsverlust erlitten. Die größte Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) gewann deutlich hinzu. In den Umfragen der drei Meinungsforschungsinstitute TNS, Ipsos und ibris aus den jüngsten zehn Tagen führt die PiS zwar immer noch leicht. Ihr Vorsprung vor der PO ist aber auf zwei bis vier Prozentpunkte geschrumpft; Ende Februar hatte er noch über zehn Prozentpunkte betragen.
Tusks Bürgerplattform gewinnt kräftig
Dies ist der signifikanteste Rückschlag für die PiS seit ihrem Wahlsieg im Herbst 2015. Damals erzielte sie 37,6 Prozent. Die PO, die zuvor regiert hatte, fiel auf 24,1 Prozent. Die drei neuen Umfragen nennen zwar unterschiedliche absolute Zustimmungswerte – zwischen 27 und 32 Prozent für die PiS sowie zwischen 24 und 28 Prozent für die PO. Sie stimmen aber überein, dass die PiS in den jüngsten Wochen um rund fünf Prozentpunkte gefallen ist und die PO um acht Prozentpunkte zugelegt hat.
Die Entwicklung zeigt, dass die polnische Gesellschaft unruhig wird, wenn ihr Land sich allein gegen alle Partner stellt. Als Ursache des Umschwungs gilt der Widerstand der PiS gegen die Wiederwahl des Polen Donald Tusk als Vorsitzender des Europäischen Rats beim EU-Gipfel am 9. März. Tusk, ein Mitglied der liberalen Bürgerplattform (PO), war bis zum Sommer 2014 Polens Ministerpräsident und trat zurück, als ihn die Staats- und Regierungschefs der EU zum Ratsvorsitzenden wählten. Seine Nachfolgerin Ewa Kopacz verlor die Parlamentswahl im Herbst 2015. Seither regiert die PiS.
Persöhnliche Fehde um den Flugzeugabsturz von Smolensk
In ihrer Darstellung der innenpolitischen Lage ist Tusk der Schuldige für alle aktuellen Probleme. Er sei angeblich sogar verantwortlich für den Flugzeugabsturz im April 2010 bei Smolensk, bei dem der damalige Präsident Polens, Lech Kaczynski, ums Leben kam. Lech ist der Zwillingsbruder des Parteivorsitzenden der PiS, Jaroslaw Kaczynski. Auf Wunsch Kaczynskis stimmte Polen beim EU-Gipfel am 9. März als einziges Land gegen Tusks Wiederwahl als Vorsitzender des Europäischen Rats. Dies wird auch in Polen als Ausdruck einer persönlichen Fehde Kaczynskis mit Tusk betrachtet, die der PiS-Chef auf Kosten der nationalen Interessen austrage. Nicht einmal Ungarn, das Polen in der EU oft unterstützt, stand diesmal an Polens Seite. Auch Balten, Slowaken und Tschechen zeigten kein Verständnis für Warschaus Haltung.
50 Prozent sind unzufrieden mit der Entwicklung
Die Polen sind es aus der Geschichte zwar gewohnt, dass ihr Land sich gegen mächtigere Nachbarn wie Deutschland und Russland wehren muss und dass ihre Regierungen deshalb Meinungsverschiedenheiten mit Nachbarn und Partnern offener austragen, als das zum Beispiel in Deutschland üblich ist, und sich dabei auch öfter mal in der Minderheit wiederfinden. Sie werden aber unruhig, wenn ihr Land sich isoliert.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CBOS sind inzwischen 50 Prozent unzufrieden mit der politischen Lage; die Zahl der Zufriedenen liegt bei 33 Prozent, ein Abfall um fünf Prozentpunkte gegenüber Februar. Parallel fielen die Popularitätswerte der PiS in den anderen Umfragen. Als Hauptursachen der wachsenden Unzufriedenheit nennen die Befragten den Konflikt der Regierung mit der EU sowie die Auseinandersetzung um Frauen- und Abtreibungsrechte.
Angesichts der neuen Umfragewerte muss die PiS zum ersten Mal seit ihrem Wahlsieg vor anderthalb Jahren fürchten, dass sie die Macht wieder verlieren könnte. Die bisherigen Konflikte um die Kontrolle der Justiz und der Medien hatten bei den EU-Partnern Besorgnisse ausgelöst, ob nun Demokratie und Rechtsstaat in Polen bedroht seien und die EU veranlasst, ein Verfahren einzuleiten. Innenpolitisch hatte die PiS diesen Streit jedoch unbeschadet überstanden. Die Opposition organisierte beachtliche Straßendemonstrationen und besetzte aus Protest gegen die rechtswidrigen Methoden, mit denen die PiS das Verfassungsgericht entmachtete, während der Weihnachtspause das Parlament. Es war ihr bislang aber nicht gelungen, die politische Vormachtstellung der nationalpopulistischen Bewegung zu gefährden.
Mit Sozialprogrammen Machterhalt kaufen: Das hat Grenzen
Mit sozialpolitischen Programmen wie der deutlichen Erhöhung des Kindergelds und der Herabsetzung des Rentenalters sichert sich die PiS ihre Wähler. Sie wohnen überwiegend in Kleinstädten und auf dem Land, leben von körperlicher Arbeit und sind im Schnitt weniger gebildet als die Anhänger der PO. Nun scheint die soziale Absicherungspolitik als Mittel zum Machterhalt an Grenzen zu stoßen.