Wahl in Spanien: Podemos und Ciudadanos sind bitter nötig
Spaniens erstarrte Politiklandschaft ist aufgebrochen: Nun müssen die Jungen zeigen, dass sie Politik können. Ein Kommentar.
Nach dem politischen Erdbeben in der nationalen Wahl wird in Spanien eine neue Epoche anbrechen. Denn die junge und linke Protestpartei Podemos, die mit einem überraschend starken Ergebnis auftrumpfte, wird künftig im Parlament ein wichtiges Wörtchen mitreden. Genauso wie die zweite neue Partei Ciudadanos aus der liberal-bürgerlichen Ecke, die zwar die hohen Erwartungen enttäuschte, aber auch noch einen ansehnlichen Stimmanteil errang. Für den unbeliebten konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, der mit seiner Volkspartei auf sehr niedrigem Niveau siegte, aber seine Regierungsmehrheit verlor, bedeutet dies eine heftige Ohrfeige. Und möglicherweise das Ende seiner Amtszeit.
Die Newcomer sind die Antwort auf eine tiefe Vertrauenskrise
Die beiden Politaufsteiger Podemos und Ciudadanos trennt zwar ideologisch vieles, aber die Parteineulinge haben eines gemeinsam: Die Forderung nach einer „demokratischen Erneuerung“ im spanischen Königreich, in dem viele Bürger das Vertrauen in die bisher regierenden Politiker verloren haben.
Die Newcomer sind die Antwort auf diese tiefe Vertrauenskrise: Sie verstanden es, Ärger und Wut der Bürger zu kanalisieren. Und den Millionen Unzufriedenen, die vom politischen Establishment enttäuscht waren, eine Stimme zu verleihen. Nun müssen ihre jungen und populären Wortführer beweisen, dass sie nicht nur die Menschen mitreißen, sondern auch besonnene Politik machen können.
Auf jeden Fall ist das Auftauchen von Podemos und Ciudadanos eine Chance, endlich mit frischem Wind die erstarrte politische Landschaft durchzufegen. Das ist auch bitter notwendig. Leider hat sich in Spanien der Eindruck festgesetzt, dass nicht wenige Politiker in der Vergangenheit ihr Amt dazu benutzt haben, um sich selbst und ihre Amigos zu bereichern und Privilegien schamlos auszunutzen.
Schmiergeldskandale in der PP
Allen voran geriet die konservative Volkspartei Rajoys ins Zwielicht, die zuletzt durch eine ganze Serie von Schmiergeldskandalen erschüttert wurde. Aber auch die oppositionellen Sozialisten, die sich in den letzten Jahrzehnten mit den Konservativen an der Macht abwechselten, sind schwer belastet - etwa durch einen gigantischen Betrug mit EU-Arbeitsfördermitteln in Andalusien.
Doch das erhebliche Frustrationspotenzial wird noch anderweitig genährt: Etwa dadurch, dass der wirtschaftliche Aufschwung, den die konservative Regierung beschwört, vielen Menschen wie eine Fata Morgana vorkommt. Wenigstens, wenn sie in ihr Portemonnaie schauen. Tatsache ist jedenfalls, dass die Armut im Land nicht kleiner, sondern größer wird - und die Schlangen der Hungernden vor den Suppenküchen wachsen. Immer mehr der knapp fünf Millionen Arbeitslosen bekommen keinen Cent Unterstützung. Und die allermeisten neuen Jobs, mit denen Rajoy für die Verdienste seiner Regierung wirbt, sind „Müllverträge“ - Arbeitsverhältnisse von einigen Tagen oder Wochen und ohne Perspektive.
Wenn Rajoy in dieser immer noch prekären Lage behauptet, „Spanien geht es besser“, klingt dies wie Hohn für viele Leute.