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French President Emmanuel Macron (C) is accompanied by Mayor of Paris Anne Hidalgo (3L), French Prime Minister Edouard Philippe (L) French Culture Minister Franck Riester (2L) and Archbishop of Paris Michel Aupetit (R) as he speaks at Notre-Dame Cathedral in Paris on April 15, 2019, after a fire engulfed the building. - A fire broke out at the landmark Notre-Dame Cathedral in central Paris, potentially involving renovation works being carried out at the site, the fire service said.Images posted on social media showed flames and huge clouds of smoke billowing above the roof of the gothic cathedral, the most visited historic monument in Europe. (Photo by PHILIPPE WOJAZER / POOL / AFP)
© AFP
Update

Macron nach dem Notre-Dame-Brand: Plötzlich ein Präsident, der ganz Frankreich einen könnte

Zu arrogant, zu abgehoben: Präsident Macron ist unbeliebt in Frankreich. Nach dem Notre-Dame-Feuer aber hat er eine kurze Schonfrist für seine Reformen.

Seit Monaten kämpft der französische Präsident Emmanuel Macron mit Imageproblemen. Er wird als Präsident der Reichen kritisiert, zu arrogant, zu abgehoben. Die Proteste der Gelbwesten zeigten, dass das Land gespalten ist. Um diese Spaltung zu überwinden, lud der Präsident die Franzosen zu einer großen Debatte über Steuern und Demokratie ein. Die Schlussfolgerungen daraus wollte Macron am Montag in einer Fernsehansprache bekanntgeben.

Doch dann brannte Notre-Dame. Macron verschob seine Antwort an die Franzosen und eilte an den Ort des furchtbaren Feuers. Und plötzlich schien das Land wieder geeint, im Schmerz um das Symbol von Paris. Politiker aller Parteien trauerten und auch aus dem Ausland kamen Botschaften, die alle Franzosen ansprachen.

Macrons "Liste des Präsidenten" setzte ihre die Kampagne für die Europawahlen aus. Spitzenkandidatin Nathalie Loiseau erklärte, man „beteilige sich natürlich an diesem Moment der nationalen Einigung“. Selbst die rechtsextreme Partei RN (Rassemblement National) von Marine Le Pen kündigte an, dass sie den Europawahlkampf unterbricht, bis man wieder Lust habe, Politik zu machen: „Das Herz setzt im Moment nicht auf Polemik."

Präsident in der "Schlacht"

Und Macron sieht plötzlich nicht mehr wie das Staatsoberhaupt der Eliten aus, sondern ist wieder wie ein Präsident, der anscheinend alle einen kann. Der Präsident verkündete noch in der Nacht: „Das Feuer von Notre-Dame ist unter Kontrolle, wir bauen wieder auf.“ Er gab sich wie ein Feldherr der seine Truppen anführt, ausdrücklich gebrauchte Macron das Wort „bataille“ (Schlacht).

Seit Monaten fanden am Dach Renovierungsarbeiten statt. Das Feuer hat den 100 Meter langen, hölzernen Dachstuhl des Kirchenschiffes hinter den beiden Türmen zu zwei Dritteln zerstört. Die Spitze in der Mitte ist eingestürzt. Historiker rechnen mit jahrzehntelangem Wiederaufbau und exorbitanten Kosten.

Alle Zeitungen befassten sich auf den Titelseiten mit der "Katastrophe von Notre-Dame" ("Figaro"), „Notre-Dame der Tränen“ schrieb "Le Parisien". Frankreich ist vollständig von seinen gesellschaftlichen Problemen abgelenkt. Macron kündigte eine nationale Spendenaktion an.

Auch der private Fonds für Frankreichs Kulturerbe erklärte, er werde sammeln. Die Familie Pinault, der die Kering-Gruppe für Luxusgüter gehört, will 100 Millionen Euro spenden, LVMH und Bernard Arnault, die in der gleichen Branche tätig sind, kündigten eine Spende von 200 Millionen Euro an. Premierminister Edouard Philippe rief am Dienstag die Minister zusammen, um an einem „Wiederaufbauplan“ zu arbeiten. Er twitterte: „Der Präsident hat es gesagt, wir werden Notre-Dame alle zusammen wieder aufbauen.“

Steuersenkungen und Entlastungen für Rentner

Macron hatte seine Rede an die Franzosen vor dem Feuer aufgezeichnet. Der Präsident setzte viel auf diese Ansprache über Veränderungen seiner Politik, die sein Ansehen in der Bevölkerung verbessern sollte.

Bei einem TV-Auftritt am Dienstagabend hielt der Präsident aber eine andere Rede. Der Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame soll zügig vonstatten gehen, sagte Macron. „Ich möchte, dass dies in fünf Jahren abgeschlossen sein wird.“ In seiner gut fünfminütigen Ansprache appellierte Macron an den Zusammenhalt der französischen Gesellschaft, er dankte Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften für ihren Einsatz.

Zugleich würdigte er die Zeichen von Solidarität aus dem In- und Ausland. „Jeder hat gegeben, was er konnte.“ Der Brand der Kathedrale habe die Menschen in Paris, in Frankreich und auf der ganzen Welt getroffen, nun sei es an der Zeit zu handeln. „Ich teile ihren Schmerz, aber ich teile auch ihre Hoffnung.“

Der schriftliche Entwurf der Reform-Rede lag der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag vor. Daraus geht hervor, dass Macron Steuersenkungen plant. Zudem sollen Rentner entlastet werden, die über maximal 2000 Euro verfügen.

Macron will Elite-Uni abschaffen

Laut Redetext will der Staatschef zudem Volksbefragungen ermöglichen, wie sie die "Gelbwesten" fordern. Allerdings vorwiegend zu "Themen von lokalem Interesse", wie es heißt. Darüber hinaus schlägt Macron vor, die Pariser Elitehochschule Ecole Nationale d'Administration (ENA) abzuschaffen. Diese Elite-Kaderschmiede hatte er selbst als Student besucht. Die "Gelbwesten" und viele andere Bürger werfen der politischen Klasse Frankreichs vor, zu abgehoben zu sein. Macron ist für sie ein "Präsident der Reichen", weil er die Vermögensteuer weitgehend abschaffte. Ab 2020 will Macro laut dem Redetext nötige "Korrekturen" prüfen.

Der Auftritt zu den zu geplanten Reformen nach der großen Debatte dürfte nun aber mit etwas weniger Aufmerksamkeit verfolgt werden. Eine Schonfrist für Macron dürfte aber nicht lange dauern.

Das zeigte sich nach den islamistisch motivierten Terroranschlägen in Paris im November 2015. Der damalige Präsident François Hollande wurde schon wenige Tage später wieder für seine Politik kritisiert. Und jetzt ironisierte die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ schon am Dienstag Macron und den Brand. Sie hat den Präsidenten in einer Zeichnung mit einem breiten Lächeln auf dem Titel. Die Türme von Notre-Dame stechen wie zwei Hörner aus seinem Kopf. Daneben steht: „Reformen.“ Und: „Ich fange beim Dachstuhl an.“ (mit AFP)

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