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Als Antwort auf die Gelbwesten-Proteste in Frankreich hatte Präsident Macron eine Bürger-Debatte ins Leben gerufen.
© dpa/Michel Euler

Bürger bringen Politikvorschläge ein: Franzosen wollen gerechtere Steuern und mehr Umweltschutz

Nach den Protesten der Gelbwesten hatte Macron zur „großen Debatte“ aufgerufen. Nun wurden Forderungen der Bürger gesammelt. Das kam dabei heraus

„Le grand débat“, die große Debatte, hatte Präsident Emmanuel Macron den gesellschaftlichen Dialog genannt, den er vor zweieinhalb Monaten startete. Die Ergebnisse wurden am Montag in Paris im Grand Palais vorgestellt. Der Ausstellungspalast liegt direkt an den Champs-Elysées, auf denen es die heftigsten Demonstrationen der Gelbwesten gab. Die Debatte war die Antwort auf die Proteste. Vier große Themen wurden diskutiert: Steuerpolitik, Staatsausgaben, Umweltpolitik und Demokratie. Macron selbst verbrachte 92 Stunden in Debatten mit Lokalpolitikern im ganzen Land. Die Regierung bezeichnete die Debatte allein schon wegen der großen Beteiligung als „quantitativen Erfolg“. Premierminister Edouard Philippe erklärte zum Abschluss der Vorstellung: „Die Notwendigkeit einer Veränderung ist dringend.“ Am Dienstag sollen die Ergebnisse vor der Nationalversammlung vorgestellt werden, am Mittwoch im Senat und dann beginnt die entscheidende Phase: Präsident Macron muss versuchen, diese in politische Entscheidungen umzusetzen. Wichtigstes Ergebnis ist, dass die Franzosen die Nase von der Steuerpolitik voll haben. So wünschen sich 17 Prozent der Teilnehmer an der Debatte, dass die Lohnsteuer und 18 Prozent, dass die Mehrwertsteuer gesenkt wird. „Wir müssen die Steuern schneller senken“, sagte Philippe.

Steuern

Zusammen mit der Senkung der Steuer steht der Wunsch nach einer stärkeren Besteuerung der Reichen, für mehr Steuergerechtigkeit, damit die Mittelklasse nicht die größte Steuerlast tragen muss. Es zeigt sich aber ein Widerspruch. In den Gemeindebüchern, in die sich vor allem die Landbevölkerung eingetragen hat, steht der Wunsch nach einer Vermögenssteuer für die Reichen. Im Internet – genutzt vor allem von der Stadtbevölkerung – erscheint dagegen die Forderung nach einer Lohnsteuerreform, damit alle Steuern zahlen. Insgesamt wollen aber 27,8 Prozent der Befragten, dass die Reichen mehr zahlen.

Staatsausgaben

Was die öffentlichen Ausgaben angeht, äußerten sich elf Prozent in den Gemeindebüchern und 15 Prozent in den Veranstaltungen mit dem Wunsch, hier Geld einzusparen. Online wollen sogar 75 Prozent Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben sehen. Angeprangert wird das „Luxusleben des Staates“ und die Verschwendung öffentlicher Gelder. Einsparungen werden vor allem bei der Verteidigung gefordert. Online regen 52 Prozent der Beteiligten an, dass die Sozialausgaben überdacht werden. 24 Prozent nennen online eine Anhebung der Arbeitszeit und 22 Prozent eine Erhöhung des Rentenalters. Nur für Gesundheit wollen alle Teilnehmer mehr ausgeben, außerdem im Kampf gegen Armut und für Betreuung von alten Menschen.

Umwelt

Die Umweltpolitik ist zum größeren Anliegen geworden als erwartet. Online erklärten 62 Prozent der Teilnehmer, dass ihr tägliches Leben durch die Klimaveränderung berührt wurde, 86 Prozent wollen dazu betragen, die Umwelt zu schützen.

Demokratie

Zum Thema Demokratie wünschen 74 Prozent der Teilnehmer online, dass bei den Parlamentswahlen zum Teil das Verhältniswahlrecht eingeführt wird. Bisher gilt das Mehrheitswahlrecht. Die Diskussion gibt es schon lange, viele befürchten, dass die Rechtsextremen von Marine Le Pen mehr Sitze im Parlament erlangen, wenn zum Teil Verhältniswahlrecht gilt. Besonders viele Franzosen (86 Prozent) sprachen sich online dafür aus, dass die Zahl der Parlamentarier reduziert wird, ein Thema, das dagegen in den Gemeindebüchern und bei den öffentlichen Veranstaltungen fast gar nicht interessierte. Ebenso wünschen sich 86 Prozent online, dass die Verwaltung vereinfacht wird. In den Gemeindebüchern beklagen die Büger „Privilegien“ der Abgeordneten und hohen Beamten. Mehr Bürgerbeteiligung durch Referenden, was die Gelbwesten immer wieder fordern, interessiert kaum jemand, nur 2,3 Prozent nannten es.

Nach der Vorstellung geht es in die heiße Phase. Vertraute des Präsidenten ließen verlauten, dass um Ostern herum Entscheidungen als Reaktion auf die große Debatte fallen könnten. Aber es ist nicht sicher, ob das ausreicht, um die Gelbwesten zu beruhigen. Allerdings ist die Bewegung ohnehin in den letzten Wochen etwas abgeflaut. Macron muss zudem gegen die Skepsis in der öffentlichen Meinung ankämpfen. Laut Umfragen glauben 79 Prozent, dass die große Debatte die aktuelle Krise nicht lösen wird. Und nach ersten Auswertungen haben sich in die Debatte kaum die wirklich sozial Benachteiligten eingebracht.

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