Nervosität der CSU ist berechtigt: Pkw-Maut: Im Stau seit 1950
Horst Seehofer rüffelt seinen Innenminister - weil der sich was Neues zur Maut ausgedacht hat. Der Blick zurück zeigt: Pläne für Straßennutzungsgebühren hatten es nie leicht.
Die Bundesregierung will eine Straßennutzungsgebühr samt einer Plakette – aber der Bundesrat lehnt ab. Der Verwaltungsaufwand sei zu groß, heißt es in den Ländern. Das war 1950. Wiederholt sich die Geschichte jetzt? Es ist nicht ausgeschlossen. Die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geplante Pkw-Maut samt Plakette könnte am Bundesrat scheitern, wenn die Grünen, die in sieben Ländern mitregieren, sich verweigern. Und wer nennt die Maut ein „Bürokratiemonster“? Die Grünen.
"Keinen Senf dazugeben"
In der CSU wächst seit der Vorstellung von Dobrindts Plan erkennbar die Nervosität. Am Wochenende ist Parteichef Horst Seehofer seinem Innenminister Joachim Herrmann regelrecht über den Mund gefahren. Es sei nicht notwendig, dass jemand in Interviews „seinen Senf dazugibt“, während Dobrindt (Seehofers Günstling) seinen Gesetzentwurf vorbereitet. Ob Herrmann, einer der Alten im Kabinett und einst Konkurrent Seehofers im Kampf um die Ministerpräsidentschaft, so schnell klein beigibt, wird man sehen. Er hat mit seinem Vorschlag, Dobrindt solle alle Grenzkreise von der Maut ausnehmen, damit Ausländer dort vignettenfrei fahren können, Bedenken aufgenommen, die es in Ostfriesland gibt, in der Eifel, am Bodensee, im Alpenvorland, im Bayerischen Wald und im Osten hin zu Polen. Dort wird befürchtet, dass die Nachbarn weniger in Deutschland einkaufen, also weniger Umsatz bringen, was zu Verlusten bei den Steuereinnahmen führt. Zwar ist unklar, ob es wirklich so käme – die Jahresmaut würde für die meisten Grenzgänger um die 50, 60 Euro liegen. Aber die Bedenken und Beschwerden gibt es. Und die werden im Bundesrat, der der Maut vermutlich zustimmen muss, eine Rolle spielen. Zu Dobrindts Problemen gehört auch, dass er seine Ministerkollegen in den Ländern nicht hinter sich hat. Die wollen zwar auch mehr Geld in ihre Etats lenken, aber haben dafür einen anderen Weg beschlossen: die Ausweitung und Erhöhung der Lkw-Maut.
Die Länder wollen ihren Anteil
Länder und Kommunen wollen einen hohen Anteil an den Einnahmen haben, denn Dobrindts Maut soll für alle Straßen gelten, nicht nur, wie zunächst erwartet, für die Autobahnnutzung. Das ist zwar aus Sicht der CSU kein Problem, deren Vorstöße im Bund haben häufig den Sinn, Bayern etwas Gutes zu tun. Da aber die Kfz- Steuer zum Bund wanderte (bis 2009 war sie eine reine Ländersteuer), muss der nun auch die Verwaltung finanzieren. Neuerdings macht das der Zoll, auf den dann möglicherweise auch die Kontrolle der Vignettenpflicht jedenfalls bei Ausländern zukäme. Das würde weiteres Personal erfordern, dabei ist der Zoll gerade erst zur Kontrolle des Mindestlohns um 1600 Stellen erweitert worden. Noch mehr Kosten bei begrenztem Haushaltsnutzen – die Sache wird aus Bundessicht möglicherweise unattraktiv. So klingt im Twitter-Eintrag von Michael Meister, CDU-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, zu den jüngsten CSU- Querelen schon leise Verzweiflung an: „Das ist ja trollig“, schrieb er, zwar nicht ganz korrekt, aber deutlich. Richtig in die Bredouille käme der CSU-Vorstoß, wenn er Teil der Bund-Länder-Gespräche über eine neue bundesstaatliche Finanzverteilung würde, die derzeit laufen.
Risiko Europarecht
Nervös sind Seehofer und Dobrindt, weil sie die Maut als Wahlkampfschlager in Bayern im vorigen Herbst gefordert hatten (Ausländer sollten endlich zahlen). Käme sie nicht, wäre der Ruf beschädigt – und Seehofer sitzt seit dem Debakel bei der Europawahl nicht mehr ganz so fest im Sattel. Europarechtlich ist die geplante Verrechnung von Maut und Kfz-Steuer bei Inländern ein Risiko. Der Europäische Gerichtshof kippte 1992 eine entsprechende Regelung bei der Einführung der deutschen Maut für schwere Lkw. Schon drohen Österreich und die Niederlande mit einer Klage, sollte die Maut à la Dobrindt kommen.
Debatten seit 1922
Dass die Kfz-Steuer zu einer Bundessteuer wurde, hat mit den Debatten um die Lenkungswirkung der Steuer und eine stärker nutzerabhängige Straßenfinanzierung zu tun. Die Länder verzichteten darauf, um dem Bund eine komplette Neuregelung zu ermöglichen. Damals ging es auch um die Abschaffung der Kfz-Steuer und eine Erhöhung der Mineralölsteuer, um Vielfahrer stärker zu belasten. Aber daraus wurde nichts. Stattdessen wurde 2009 nur eine kleine Reform umgesetzt, die neben der Hubraumbesteuerung weiter nach Schadstoffklassen verfährt. Eingeführt wurde die Steuer auf Kraftfahrzeuge reichsweit 1922. Damals wurde ausdrücklich auf eine zusätzliche Nutzungsabgabe verzichtet, die es zuvor auf der kommunalen Ebene gegeben hatte. Man wollte die Doppelbelastung vermeiden. Zwar hat das Reich im Juni 1933 ein Gesetz erlassen, das eine besondere Autobahnnutzungsgebühr erlaubt hätte – aber daraus wurde nichts. 1951 wurde die Ermächtigung wieder aufgehoben.