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Was, wenn man drin ist? Die Staufer-Kaserne der Bundeswehr ist wegen höchst zweifelhafter Aufnahmerituale Gegenstand von Ermittlungen.
© dpa

Bundeswehr-Skandal: Pfullendorf steht für die falsche Haltung

In den Fächern „Zivilcourage in Uniform“ und „Führen durch Vorbild“ ist Nachsitzen angesagt, und nicht nur in der Pfullendorfer Kaserne - auch im Berliner Ministerium. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Nun wollen sie wieder alle „hart durchgreifen“ – die militärische Führung, die Ministerin, alle. Das ist ja auch das Mindeste, was der jüngste Bundeswehrskandal als Reaktion erfordert. Erniedrigende Doktorspiele und brutale Aufnahmerituale sind nichts, was unter harten Jungs und Mädels halt mal vorkommen kann. Machtmissbrauch gegenüber Untergebenen und Frauenverachtung, falscher Korpsgeist und ängstliches Wegducken sind das schiere Gegenteil von dem, was ausgerechnet Spezialkämpfer in ausgerechnet einer Eliteausbildung lernen sollen. Die das betrieben und verantwortet haben, gehören strafversetzt ins Bekleidungsdepot oder gleich raus aus dieser Armee.
Der Skandal reicht allerdings weiter. Denn offenbar gab es in der Staufer-Kaserne genau einen Soldaten, der begriffen hat, wie verheerend falsch die Dinge liefen – die junge Frau, die sie vor einem halben Jahr nach oben meldete. Viele andere müssen etwas gewusst oder gehört haben. Diese stummen Mitwisser sind das wirkliche Problem. Im Bendlerblock können sie sich ihre „Rekruten“-Werbefilmchen sparen, wenn bei jungen Menschen der Eindruck stehen bleibt, dass man beim Bund seinen Mut vor allem braucht, um sich gegen Übergriffe aus der eigenen Truppe zu wehren. In den Fächern „Zivilcourage in Uniform“ und „Führen durch Vorbild“ ist Nachsitzen angesagt, und nicht nur in Pfullendorf.

Bei der zweiten Unterrichtseinheit sollte übrigens auch die Ministerin gelegentlich vorbeischauen. Dass Ursula von der Leyen die Vorgänge erst intern ausermitteln ließ, ist völlig in Ordnung. Die Umstände, unter denen das Parlament davon erfuhr, sind es nicht. Dass die Anzeigen an die Staatsanwaltschaft am Dienstag herausgehen, der Verteidigungsausschuss aber zufällig erst am Freitag vom Generalinspekteur durch einen Bericht informiert wird, der sich inhaltlich zufällig mit dem deckt, was zufällig gleichzeitig ein Online-Magazin verbreitet, und das alles zufällig zu einem Zeitpunkt, an dem der Bundestag für zwei Wochen Pause hat und nicht nachbohren kann – das ist recht viel Zufall. „Hartes Durchgreifen“ muss sein, es reicht bloß nicht. Pfullendorf steht für falsche Haltung plus Geheimniskrämerei. Die Bundeswehr braucht Offenheit als Tugend, überall.

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